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DRACHENERDE - Die Trilogie

DRACHENERDE - Die Trilogie

Titel: DRACHENERDE - Die Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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nahm an, dass ihn Blootnyr so am besten verstand, mochte der Gott nun seine Gedanken lesen oder nicht.
    Der Kopf der Drachenschlange veränderte sich und bildete ein Gesicht, das beinahe menschlich wirkte. Zumindest war es in der Lage, menschliche Mimik nachzuahmen. Allerdings erwies sich dabei, wie wahr die vorherigen Worte des Blutmondgottes waren: Es schien tatsächlich sehr lange her zu sein, dass er mit Sterblichen in Verbindung getreten war, denn die Art und Weise, wie er die menschliche Mimik zu imitieren versuchte, wirkte seltsam verzerrt.
    „Ich weiß, ich weiß. Der nasse Njordir hat mir erzählt, wie wichtig du bist. Er fürchtet offenbar, dass er seinen Sohn Njordirskint auf dem Meermond um Asyl bitten muss, solltest du scheitern und deine Schicksalslinie ein vorzeitiges Ende nehmen.“ Ein schallendes Gelächter drang aus dem weit geöffneten Mund des Blutmondgottes, das sich wieder in das Maul einer Drachenschlange verwandelte, jedoch nur für einen kurzen Moment. Dabei quoll ihm wieder rotes Gas zwischen den Zähnen hindurch und aus den Nüstern hervor, und eine blutrote Wolke bildete sich, die Blootnyr mit einem Luftzug aus seinem Mund auseinander trieb und verwirbelte.
    Diesmal zeigte Branagorn keinerlei Reaktion, sondern blieb völlig gelassen. Vielleicht tat er auch nur einfach das, von dem er zuvor gesagt hatte, es versäumt zu haben – nämlich rechtzeitig die Luft anzuhalten.
    „Zum zweiten Mal greift ein von Seemannen verehrter Gott ein, um einen drachenischen Kaiser zu retten“, stellte Rajin fest. „Gewiss wird man dies dereinst in den Chroniken vermerken.“
    „Wir taten es, damit später überhaupt noch jemand da sein wird, der diese Chroniken lesen kann“, entgegnete Blootnyr, und diesmal sprach er laut und für alle vernehmlich, damit ihn jeder hören und verstehen konnte. „Die Götter sind ebenso besorgt wie die Sterblichen.“
    „Und warum bringt Ihr dann nicht den Verrätergott Whytnyr durch eine gemeinsame Anstrengung zur Vernunft?“, fragte Rajin. „Ist er nicht der Herr des Schneemonds?“
    „So wenig, wie wir Whytnyr zu beeinflussen vermögen, vermochte Whytnyr je die Bahn des Schneemonds zu lenken, auch wenn er einen anderen Eindruck zu erwecken versucht. Es ist eine Frage der Schicksalslinien, und die haben nur bedingt etwas mit dem Wahn eines Einzelnen von uns Mondgötterbrüdern zu tun. Vielleicht hätten wir all die Schwierigkeiten nicht, wäre Groenjyr nicht andauernd betrunken. Selbst wir können nicht zu ihm vordringen, denn sogar in Zeiten solch schwerer Bedrohung ist er entweder nicht ansprechbar in seinem Rausch, oder er schläft selbigen gerade aus.“
    Die Scheibe des Blutmonds war inzwischen weitergezogen. Ein Gutteil der Sonne strahlte bereits hinter ihm hervor. Die schwebende Drachenschlange wandte den Kopf und richtete ihr an ein Menschengesicht gemahnendes Antlitz dem Geschehen am Himmel zu. „Es wird Zeit für mich. Leb wohl, Kaiser Rajin, den die tapferen Seemannen Bjonn Dunkelhaar nannten – und erfülle deine Bestimmung, auf dass wir alle ein Teil des Polyversums bleiben und nicht dem ewigen Vergessen anheimfallen.“
    „Warte!“, rief Rajin. „Verrate mir mehr darüber! Erkläre mir, welche Rolle ich im Geflecht der Schicksalslinien spiele und wie ich meine Bestimmung erfüllen kann!“
    Blootnyr lachte. „Wenn ich das täte, wärst du nicht mehr in der Lage zu tun, wofür du geboren wurdest und wofür wir dein Leben bewahrten, du sterblicher Narr. Nicht einmal Groenjyr in seiner Trunkenheit wäre so dumm, dir etwas darüber zu verraten.“
    Blootnyr Kopf war wieder der einer Drachenschlange geworden, und während die dunkle Scheibe seines Heimatmonds die gleißende Sonne mehr und mehr freigab, erfasste ihn eine große Unruhe. Er starrte hinauf zu seinem Mond, und ihm war deutlich anzumerken, dass es ihn dorthin zurückzog. Gleich würde er aufbrechen und für immer verschwunden sein, davon war Rajin überzeugt.
    „Blootnyr, eine letzte Frage!“, rief der junge Kaiser deshalb.
    „Keine Fragen mehr!“, bestimmte Blootnyr, diesmal wieder ausschließlich mit seiner Gedankenstimme.
    Rajin sammelte all seine innere Kraft und konzentrierte sie in einem einzigen Gedanken. „Die Vergessenen Schatten – sind sie nur vertrieben oder für immer vernichtet?“
    Auf einmal verharrte Blootnyr mitten in der Luft, die unzähligen Flügelpaare bewegten sich nicht mehr – und als gleißendes Sonnenlicht ihn erfasste und seine Schuppen schimmern ließ,

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