DRACHENERDE - Die Trilogie
waren. Das letzte Stück bewältigte er mit einem weiten Sprung und landete sanft auf dem grasbewachsenen Boden. „Offenbar ist auf dem Jademond das eigene Gewicht viel geringer, als wie wir es gewohnt sind“, rief er zu den anderen hinauf.
„Vielleicht ist das der Zauber der Gewichtslosigkeit, den der Priesterkönig des Luftreichs schon so lange hütet“, vermutete Koraxxon.
Branagorn machte ein paar unbeholfene Schritte und drehte sich dann noch einmal um. „Was auch immer die Ursache ist, ich kann jedem nur empfehlen, keine plötzlichen und unachtsamen Bewegungen zu machen, weil sie um ein Vielfaches kräftiger ausfallen als etwa auf der Drachenerde.“
„Meinesgleichen wurde geschaffen, um sich jeder Umgebung und den dort herrschenden Verhältnissen anzupassen“, tönte Koraxxon. Doch als er vom Rücken des Drachen stieg, machte er genau das, wovor ihn der Bleiche Einsiedler gewarnt hatte, und seine allzu heftige Bewegung mit dem kräftigen Axtarm dafür sorgte, dass er im hohen Bogen davongeschleudert wurde. Allerdings landete er mit federhafter Leichtigkeit und sehr weich im jadefarbenen Gras.
„He!“, entfuhr es ihm sichtlich überrascht. Er rappelte sich auf und wäre um ein Haar wieder taumelnd zu Boden gegangen; nur mit knapper Not konnte er sich auf den Beinen halten.
Branagorn bedachte den Dreiarmigen nur mit einem abschätzenden Blick und enthielt sich eines Kommentars. Dann wandte er sich in Richtung des Waldrands und machte sich auf, um nach Erich von Belden zu suchen. Wenig später war er im Dickicht verschwunden.
„Ich wette, er hört mit seinen feinen Ohren bereits den Herzschlag des Unsichtbaren Tods“, sagte Koraxxon spöttisch an Ganjon gewandt, nachdem dieser ebenfalls vom Drachenrücken gestiegen war.
„Er mag ein seltsamer Zeitgenosse sein, aber er scheint genau zu wissen, was er tut“, verteidigte Ganjon den Bleichen Einsiedler. „Abgesehen davon haben seine Fähigkeiten dir bereits das Leben gerettet …“
Den letzten Satz murmelte er wie abwesend vor sich hin, denn seine Gedanken waren woanders. Genau wie Rajin, der noch im Drachensattel saß, starrte er zum Himmel hinauf und sah, wie sich dort die Welt, die er kannte, in einen Glutball aus geschmolzenem Gestein verwandelte.
Ganjon dachte an seine Familie, seine Frau und seine Kinder, und an das vergleichsweise sorgenfreie Leben, das er an ihrer Seite im Südflussland geführt hatte. Als Schiffbrüchigen war ihm von den Göttern schon einmal ein zweites Leben geschenkt worden. Zumindest hatte er das so empfunden, als ihn die Flut an den Strand des Südflusslandes gespült hatte. Er war der Einzige gewesen, der von der Besatzung, mit der er auf Fahrt gewesen war, überlebt hatte.
Und nun befand er sich in einer ähnlichen Lage. Alle, die ihm lieb gewesen waren, hatten wohl längst den Tod gefunden, und er hatte ihrem Ende zugesehen, ohne irgendetwas dagegen unternehmen zu können.
Dass er noch lebte, empfand Ganjon in diesem Moment allerdings als einen Fluch und nicht als eine Gnade der Götter.
Branagorn folgte den Eindrücken, die er mit seinen überaus feinen Sinnen wahrnahm. Er fokussierte seine Aufmerksamkeit in einer Weise, wie es den Bewohnern jener Welt, auf die es ihn für so lange Zeit verschlagen hatte, normalerweise nicht möglich war. Es gab so viele unterschiedliche Herzschläge, so viel mehr oder minder regelmäßigen Atem von tausenderlei Kreaturen, die den Wald bevölkerten. Aus all dem siebte Branagorn das heraus, was er als typisch für Erich von Belden erkannt hatte; alle anderen Eindrücke, die ihn erreichten, unterdrückte er.
Zielstrebig bahnte er sich den Weg durch das dichte Gestrüpp, doch auf einmal verharrte er. Er hatte ein spinnenartiges Geschöpf bemerkt, das ihn beobachtete, ihn belauerte.
Der Körper des Vielbeiners bestand im Grunde nur aus einem Kopf, nicht größer als ein Menschenschädel, dessen Gesicht ausgesprochen ausdrucksstark wirkte. Die gut ein Dutzend Beine – oder hätte man sie besser als Arme bezeichnen sollen? -, die aus dem Kopfkörper wuchsen, waren fünfgliedrig und so lang wie ein hoch gewachsener Seemanne, dabei aber nicht dicker als ein menschlicher Finger. Sie endeten in sehr feinen Greifern.
Jemand mit weniger guten Augen hätte den Vielbeiner überhaupt nicht bemerkt, denn seine äußere Färbung war der Umgebung dermaßen gut angepasst, dass sich das Wesen so gut wie gar nicht davon abhob. Aber Branagorn sah es nicht nur sofort, er spürte
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