Drachenfedern I - Schicksalhafte Begegnung
„Wie ich das deine. So konnte ich dich finden.“
Jonas schnaufte überwältigt, fassungslos, sprachlos. Die Gedanken rasten durch seinen Kopf, ohne dass er auch nur einen davon zu fassen bekam. Sein Herz hatte sich beschleunigt. In seinen Ohren hörte er laut und pochend seinen eigenen Herzschlag.
Er sah hoch, musterte den Anderen eingehend, bevor er seine Lungen mit einem tiefen Atemzug füllte und die wohl brennendste Frage stellte. „Muss ich jetzt hierbleiben?“
Die Antwort auf diese Frage machte ihm mehr Angst, als er glaubte verkraften zu können. Wenn er alles hinter sich lassen musste, sein Leben, seinen Job, den er trotz allem Stress liebte, seine Familie, seinen Bruder … Wenn er all das hinter sich lassen musste, wenn er bis an sein Lebensende auf all das verzichten musste, wenn er den kleinen, frechen Basti nicht mehr sehen durfte. Auch wenn er ihn oft genug nervte, er würde ihn vermissen. Der Gedanke, hier gefangengehalten zu werden, erfüllte ihn mit pulsierender Angst.
Zu seiner Erleichterung schüttelte Fäiram den Kopf. „Nein. Ich kann dich jederzeit zurückbringen … lassen“, schloss er seinen Satz in einem merkwürdigen Tonfall ab.
„Die Visionen hören deswegen auch nicht auf.“
Fäiram nickte bestätigend. „Es wird noch intensiver werden.“
Jonas dachte an den Zwischenfall in der Küche, als er sich mit seinem Bruder darum gezofft und ihn durch die gesamte Wohnung gejagt hatte. „Es kann nicht viel gewesen sein. Ich habe versucht, alles aus der Wunde zu drücken, bis wieder normales Blut zum Vorschein kam.“
„Es genügt bereits ein winziger Tropfen.“
Jonas seufzte resigniert. „Ich muss wohl nun damit leben, dass ich ständig so was wie eine mentale SMS von dir bekomme, was du gerade so machst. Und du von mir. Das ist manchmal echt krass.“ Besonders wenn Fäiram dabei nicht allein war und er sich von jemandem verwöhnen ließ – einem Diener?
Er blickte sich um.
Das Zimmer sah aus, als stammte es aus einem wahren Palast, kostspielig eingerichtet, mit teuer aussehendem Mobiliar, poliertem Marmorboden und Decke, glänzende, dunkle bis schwarze, massive Möbel, Vasen und andere Dekorationsgegenstände, die wenn er Eins und Eins zusammenzählte, sicherlich teuer wenn nicht unbezahlbar waren.
Der Typ selbst, steif und förmlich, in Stoffe gekleidet, die man sicherlich nicht bei C&A bekäme, auch nicht auf Sonderbestellung, zart, schlank offensichtlich sehr auf sich und seinen Körper bedacht. Das enge, gerade geschnittene Hemd, das keine Knopfleiste, zumindest keine sichtbare besaß, die enge, schwarze Hose, die sich geschmeidig an seine langen Beine schmiegte.
Jonas wünschte sich, er würde wieder aufstehen, damit er auch die Beine näher in Augenschein nehmen und die Hose an ihm in Aktion sehen konnte. Sie lag so eng an den Schenkeln, dass sie sicherlich keine einzige der Proportionen zu verbergen wusste. Er leckte sich angespannt über die Lippen und drehte beschämt über seine infamen Gedanken den Kopf zur Seite.
„Tja“, machte er nervös und schalt sich gesprochen zu haben, bevor er seine zittrige Stimme unter Kontrolle besaß. Er räusperte sich leise. „Was geschieht jetzt?“
Fäiram seufzte tief und stand auf. Offenbar hatten Jonas' Gedanken so laut zu ihm gesprochen, dass er ihm diesen Gefallen tatsächlich gewährte. „Ich weiß es nicht“, gestand er und bewegte sich einige Schritte in Richtung Balkon, wo er abermals auf halbem Wege stehen blieb, als erinnerte er sich unerwartet daran, dass er eigentlich einen Gast besaß. „Vor vielen … vielen Jahrhunderten“, fuhr er fort und drehte sich erneut nach Jonas um. „Erhielten ausgewählte Menschen das Privileg, sich mit einem Drachen zu verbünden, um gemeinsam Häälröm und die Welt der Menschen zu beschützen. Sie wurden zu Drachenrittern. Irgendwann wandelte sich allerdings die Gesinnung der Menschen den Drachen gegenüber und sie begannen, sie zu jagen und zu töten.“
Er drehte sich um und suchte Jonas' Blick. „Viele von uns wurden getötet, ganze Familien ausgelöscht. Bis die Herrscher von Häälröm beschlossen, den Kontakt abzubrechen. Seither betraten die Drachen die Welt der Menschen nur noch selten. Ich hatte es mir zur Aufgabe gemacht, die Welt der Menschen zu studieren und mehr über sie zu erfahren, um irgendwann einmal erneut ein solches Bündnis möglich zu machen. Die Welt der Menschen …“
„Erde“, unterbrach Jonas ihn. „Unsere Welt … unser Planet heißt
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