Drachenfedern I - Schicksalhafte Begegnung
nicht alles in Ordnung. Der Drache war in Gefahr. Fäiram womöglich ebenfalls. Er musste eine Möglichkeit finden, ihn zu kontaktieren. Fäiram hatte vermutlich dieselbe Vision gehabt und suchte sicherlich ebenfalls nach seinem Drachen. Auch wenn er Fäiram wegen des verpatzten Wochenendes am liebsten auf den Mond schießen würde, der Drache konnte nichts für die Unzuverlässigkeit seines Herrn. Jonas musste ihm helfen.
„Du hast geschrien, als hätte man dich aufgespießt“, keuchte Sebastian aufgebracht. „Was ist mit dir? Bist du krank? Hast du Krebs? Soll ich Hilfe holen?“
„Es ist alles in Ordnung“, versicherte ihm Jonas nochmals.
Mühsam kämpfte er die Nachwirkungen der Vision nieder, versuchte, so schnell wie möglich zurück in den Normalbetrieb zu gelangen. Mit seinem Zusammenbruch hatte er Sebastian vermutlich den Schreck seines Lebens verpasst. Dessen Besorgnis amüsierte ihn beinahe schon.
„Was ist mit dir?“, wollte Sebastian wissen. Tränen liefen ihm über die Wangen. Er sah seinen Bruder mit großen, vor Angst und Schreck geweiteten Augen an.
Jonas zwang sich zu einem Lächeln. „Glaub mir. Es ist alles in Ordnung. Ich bin nicht krank.“
„Aber irgendwas war mit dir.“
„Es ist nichts, worüber du dir Gedanken zu machen brauchst“, besänftigte er seinen aufgelösten Bruder.
„Zum Teufel, ich mach mir Gedanken darüber. Du bist mein Bruder und ich liebe dich.“
Durch Jonas ging ein wohliger Schauer, als er die Worte seines kleinen, ihn stets nervenden Bruder hörte und er drückte ihn abermals an sich.
„Glaub mir. Wirklich. Mit mir ist alles in Ordnung.“
Sebastian machte sich etwas von ihm frei. „So sah das eben nicht aus.“
Natürlich sah es nicht danach aus, und wenn er es sich recht überlegte, fühlte er sich noch immer miserabel. Abgesehen von dem deutlichen Ständer unter dem Handtuch, zischten die erlebten Schmerzen nach wie vor ätzend wie Säure durch seine Nervenenden.
Der Drache wurde gequält. Er musste ihn finden.
Und er musste dieses verdammte Tor suchen.
Jonas nahm einen tiefen Atemzug. „Ich kann dir das jetzt nicht erklären. Vielleicht irgendwann mal später. Aber jetzt nicht. Ich versichere dir, dass mit mir alles in Ordnung ist. Ich bin nicht krank. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.“
„Weiß Mama es?“
Jonas stutzte kurz und schüttelte langsam den Kopf. Dieser kleine Kerl überraschte ihn in letzter Zeit immer öfter. „Nein. Und ich bitte dich auch, ihr nichts davon zu erzählen. Sie macht sich sonst nur unnötig Sorgen.“
Sebastian wischte seine Tränen mit dem Handrücken ab und schniefte leise. „Ich hab Angst um dich“, gestand ihm der Junge.
Jonas zog ihn erneut an sich. „Brauchst du nicht.“ Er atmete tief durch und unterdrückte sein Zittern. Dabei achtete er peinlichst darauf, dass Sebastian die dicke Beule nicht bemerkte. „Ich muss mal kurz aufs Klo“, sagte er und machte sich von ihm frei. Er strich dem Jungen noch einmal tröstend über den Kopf und verzog sich ins Badezimmer, wo er sich auf den geschlossenen Klodeckel setzte, die noch immer zitternden Finger um seinen Penis legte und es sich selbst besorgte.
Viel Erleichterung verschaffte es ihm allerdings nicht, denn die Angst um den Drachen blieb hartnäckig in seinen Gliedern sitzen.
Es musste ihm irgendwie gelingen, Kontakt zu Fäiram aufzunehmen. Während er sich selbst wichste, dachte er intensiv an ihn, hoffte dadurch eine Vision zustande zu bringen, jedoch vergeblich. Er rief sich das Gefühl seiner Hände in Erinnerung, wie sie seinen Körper ertasteten, ihm unglaubliche Gefühle verschafften, ihn zum Stöhnen brachten. Er erinnerte sich an die heißen Lippen, die beinahe jeden Quadratzentimeter seines Körper bedeckten und ihn vor Lust zucken ließen und er erinnerte sich noch sehr genau an das Gefühl, als Fäiram in seinen Hintern gefahren war. Das einzige, das es bewirkte, war, dass er schneller kam.
Zur Beruhigung las er seinem Bruder lange aus dem Buch seines Urgroßvaters vor. Geschichten über Helden, Drachen, Liebe, Freundschaft und Schmerz – und einem Tor, das er unbedingt finden musste.
Nachdem Sebastian eingeschlafen war, schlich sich Jonas aus dem Zimmer. Bei einem seiner Ausflüge durch die Stadt hatte er im älteren Teil von Thessaloniki einen alten, halb zerfallenen Mühlenturm entdeckt, der von Falken erobert worden war. Einer spontanen Idee folgend und den kleinen, frechen Kerl im Hinterkopf, der ihn zum Drachen
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