Drachenfedern I - Schicksalhafte Begegnung
auf dem Bolzplatz gelockt hatte, setzte er sich in seinen Mietwagen und fuhr zu der Stelle.
Es war inzwischen schon sehr spät geworden. Die Falken schliefen sicherlich friedlich in ihren Nestern. Als er den Turm bestieg, scheuchte er einige der Vögel auf, die kreischend protestierten und ihn sogar attackierten, als er ihren Nestern zu nahe kam. Er kam sich unheimlich blöde dabei vor, auf die aufgebrachten Falken einzureden, ihnen von seiner Vision zu erzählen und sie zu fragen, ob sie irgendwie Kontakt zu Fäiram herstellen könnten. Die Falken antworteten ihm mit aufgebrachtem Kreischen und flogen wütend um den Turm herum.
Tuniäir seufzte tief und lauschte den gleichmäßigen Atemzügen seiner Gefährtin, die in tiefem Schlummer versunken neben ihm im Bett lag. Er blickte an die dunkle Decke und fragte sich, wie so viele Male in letzter Zeit, warum er Fäiram nichts von seiner Vermählung mit Mingiäsa, der Tochter eines Falken-Kommandanten erzählt hatte. Es war eine Zweckehe, der Wunsch seines Vaters gewesen, in die er sich hatte zwängen lassen. Jedes Mal, wenn er sich diese Frage stellte, wusste er auch gleich die Antwort darauf – Fäiram hätte ihm nicht gestattet ihm zu helfen. Er hätte ihn fortgeschickt, damit er sich um seine Gemahlin kümmerte und nicht um die drängenden Nöten des Drachenprinzen.
Trotz allem überkam ihn kein schlechtes Gewissen. Er hatte es genossen, wieder mit dem wunderschönen Prinzen zusammen zu sein, ihn zu lieben, ihn zu verwöhnen und zu verführen. Er hatte die Zeit über alle Maßen genossen, jeden einzelnen betörenden Augenblick, jede einzelne verzauberte Minute, jede Stunde im Liebesrausch, jeder Tag in wohliger Vertrautheit längst vergangener Zeiten.
Fast sehnsüchtig, beinahe von Eifersucht zerfressen, dachte er daran, dass sein geliebter Prinz sich nun einem anderen Mann zuwandte – einem Menschen. Dem Mann, in dessen Adern das Drachenblut Fäirams floss. Sie waren nun verbunden, würden einander verzehren und sich ebenso lieben, wie Tuniäir und Fäiram es getan hatten.
Er biss sich hart auf die Unterlippe und unterdrückte den aufkeimenden Schmerz entschlossen. Er durfte nicht so denken. Es hatte nie und zu keiner Zeit eine gemeinsame Zukunft für sie beide gegeben. Schon seit je her bildete der Falken-Clan eine gewisse Konkurrenz zu den Drachen, obwohl diese schon seit Angedenken die Herrscher über Häälröm darstellten. Keiner vermochte den wahren Grund zu kennen und dennoch blickten die Drachen argwöhnisch zu den Falken und die Falken missbilligend zu den Drachen. Entsprechend überraschend war es gewesen, als sich der blutjunge Drachenprinz und ein junger, unbescholtener Falke ineinander verliebten und einige Jahre voller Leidenschaft und Lust erlebten.
Als die Gerüchte und Intrigen allerdings so überhand nahmen, dass es für keinen von beiden mehr zu verantworten gewesen war, verließ Tuniäir den Prinzen. Auch wenn Fäiram ein Meister darin war, seine Emotionen hinter einer genialen Maske aus Gefühllosigkeit und Gleichmut zu verbergen, kannte ihn Tuniäir inzwischen so gut, dass er das kaum merkliche Zucken der Mundwinkel bemerkte, wenn Shagäiros und andere ihn wegen seiner unsittlichen und wenig fruchtbaren Liaison angingen. Und obwohl Tuniäir die Konsequenzen aus seinem Handeln wohl bedacht hatte und sehr gut kannte, tat er sich schwer, die Entwicklungen zu akzeptieren.
Er war nicht länger Teil von Fäirams Leben. Das war nun der Mensch.
Es lag nicht an ihm, diese Entwicklungen anderweitig zu steuern.
Sich schnell nähernde Schritte vor der Türe zu ihrem gemeinsamen Schlafzimmer, rissen ihn aus seinen Gedanken. Wenig später wurde auch schon an die Türe geklopft und sein Name gerufen.
Seufzend erhob sich Tuniäir aus dem Bett, schlüpfte rasch in Hose und Tunika und ging zur Türe.
„Verzeiht, verehrter Marschall, wenn ich Euch bei Eurer Nachtruhe störe“, rief ihm sogleich einer der Kommandanten seiner Falken-Staffel keuchend vor Atemlosigkeit entgegen. Tuniäir schob sich in den Korridor und schloss die Türe hinter sich, um seine Gemahlin nicht zu wecken. „Ich würde es nicht wagen, wenn es nicht wirklich dringend wäre“, ereiferte sich der Mann und wischte seine feuchte Stirn mit dem Handrücken ab.
„Was ist geschehen?“ Tuniäir musterte den Mann eingehend, um schnellere Antworten zu erhalten.
„Eine unserer Staffeln traf in einem Land, das die Menschen Griechenland nennen auf einen Menschenmann, der
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