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Drachenflamme: Roman (German Edition)

Drachenflamme: Roman (German Edition)

Titel: Drachenflamme: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
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quälend wenigen Überresten weiter, die sie ermutigten und ihnen bestätigten, auf dem richtigen Weg zu sein: an einem Tag mit einer Porzellanscherbe, am nächsten mit einem weiteren Nest für ein Ei.
    Der Wald unter ihnen lichtete sich wieder, bis sie schließlich in der Dämmerung seinen Rand passierten und in kurzer Entfernung davon ihr Lager aufschlugen. Temeraire verbrachte eine unruhige Nacht und erwachte mit einem noch größeren Gefühl des Unbehagens. Unmittelbar vor Anbruch der Dämmerung, als die anderen noch schliefen, hob er seinen Kopf und sah zu, wie sich der Horizont dort, wo er auf den Himmel traf, schärfer abzusetzen begann. Er kam ihm so weit weg vor. Nichts versperrte die Sicht auf den scharf geschnittenen Rand der Welt, außer einer Handvoll buschiger Bäume, welche ein wenig wie Besen aussahen, die man verkehrt herum in den Boden gesteckt hatte, und niedrigen Hügeln.
    Als sich das erste graue Licht des Morgens zeigte und über den Boden schlich, waren helle Grasnarben und dunklere Büsche zu erkennen, die sich vom noch schwarzen Erdboden abhoben. Dann überzog nach und nach ein tiefer werdendes Blau den Himmel und kündigte die Sonne an, und die Welt wurde wieder farbiger. Doch es waren entsetzliche, fremdartige Farben. Die sandige Erde überall um
sie herum war rot wie die sichtbare Seite eines frisch abgebrochenen Backsteins oder so, als habe jemand sie angemalt. Die Gräser waren gelb wie Stroh, wie abgestorben, doch sie sahen alle so aus. Keine Spur von einem einzigen grünen Halm weit und breit …
    Die Buschreihe entlang einer der Seiten ihres Lagers sah ein bisschen weniger unnatürlich aus und war voller dunkelgrüner, glänzender Blätter. Aber nur sie sahen saftig aus. Die Bäume zwischen dem Lager und dem Horizont, auf die Temeraire geschaut hatte, waren schwarz, als wäre ein Feuer über sie hinweggetost. Die Rinde war von unten nach oben mit dunklen Rußflecken überzogen. Erstaunlich, fand Laurence, dass oben an den Spitzen der Zweige frisches Grün spross, obwohl die zusammengerollten, verkohlten Überreste der alten Blätter noch an den unteren Ästen hingen.
    Es gab keine Wolken am Himmel, kein Wasser auf dem Boden, und kein Lebewesen huschte irgendwo herum. Es war der sonderbarste Ort, den Temeraire je gesehen hatte. Selbst die Taklamakan-Wüste, die leer und öde und kalt und unwirtlich gewesen war, hatte nicht so falsch ausgesehen. In den Oasen hatte es Pappeln und richtiges Gras gegeben, und wo es kein Wasser gegeben hatte, da waren auch keine Pflanzen gewachsen; und überhaupt hatte der Boden nicht so merkwürdig ausgesehen.
    »Laurence«, drängte Temeraire und stupste ihn an. Laurence döste auf seinem Vorderbein, wohin er sich gesetzt hatte, um in der Nähe des Eies zu sein. »Laurence, könntest du vielleicht aufwachen?«
    »Ja?« Laurence, noch immer schlaftrunken, fuhr sich mit der Hand übers Gesicht.
    »Ich selber habe natürlich keine Angst, aber ich will nicht, dass sich die Männer aufregen«, erklärte Temeraire. »Ich fürchte allerdings, dass wir irgendwie in die Unterwelt geraten sind. Eine andere Erklärung habe ich nicht.«
    »Wie bitte?«, fragte Laurence, öffnete die Augen und stand auf. Dann schwieg er.
    »Es tut mir leid, dass wir noch bis tief in die Nacht hinein weitergeflogen sind«, sagte Temeraire, »aber vielleicht war es der Geist von Jack Telly, der…«
    »Wir sind nicht in der Unterwelt«, unterbrach ihn Laurence, doch als die Männer nach und nach aufwachten, waren sie eher Temeraires Meinung. Dann wurde das magere Frühstück ausgeteilt, das aus Zwieback bestand, und jemand sehr Törichtes bemerkte: »Ich schätze, in der Hölle gibt es keinen Zwieback. Wir sind in China, denke ich, und ich weiß wirklich nicht, warum man da hinwollen sollte.«
    Die anderen Verurteilten waren sofort überzeugt: Sie hatten auf jeden Fall China erreicht. Von diesem lächerlichen Glauben ließen sie sich auch nicht mehr abbringen, nicht einmal, als Temeraire wutentbrannt sagte: »Aber das ist überhaupt nicht China. China ist von hier aus auf der anderen Seite des Meeres, und es ist ein ganz prächtiger Ort, überhaupt nicht wie die Gegend hier. Außerdem gibt es dort Tausende und Abertausende von Drachen, überall.«
    »Na bitte«, sagte O’Dea mit fasziniertem Grausen, »ein gottverlassener Ort: Jeden Morgen könnte uns eine Horde Drachen aus westlicher Richtung entgegenflattern, um uns zu verschlingen, und dann können wir uns zum alten Jack Telly

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