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Drachenflamme: Roman (German Edition)

Drachenflamme: Roman (German Edition)

Titel: Drachenflamme: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
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Einzige, was ihn auszeichnete, war eine gewisse freundliche Bereitwilligkeit und grundsätzliche Befähigung. Für die Position eines Ersten Leutnants an Bord eines Mittelgewichts hatte er keine größeren Verdienste vorweisen müssen, als der Sohn eines ausgezeichneten, sehr beliebten Kapitäns zu sein. Doch da das Tier, auf dem er seinen Dienst versehen hatte, während der großen Krankheitswelle gestorben war, hatte er seinen Platz in der Mannschaft verloren, und ihm war auch kein neuer, ähnlicher Posten mehr angeboten worden.
    Und Blincoln, der vom Alter und von der Dienstzugehörigkeit her nur kurz nach ihm kam, war gleichermaßen unbedeutend. Keiner der beiden hätte das allerletzte Ei auch nur im Entferntesten verdient.
Forthing hingegen, der sich als Einziger der Flieger im Dienst hervorgetan hatte, obwohl er über keinerlei Beziehungen verfügte, sollte offenbar übergangen werden.
    Laurence war in einem Militärbereich aufgewachsen, in dem Beziehungen beinahe alles waren, wenn es um Beförderungen ging, aber im Fliegerkorps hatte er etwas völlig anderes kennengelernt. Die Regel lautete eher: Wenn ein Mann viel Einfluss hatte, dann war er kein Flieger. Rankin selbst war eine Ausnahme, und ebenso Laurence’ früherer Leutnant, Ferris, aber das waren auch schon die einzigen beiden Fälle, auf die Laurence bislang im Dienst gestoßen war. Verdienste und eine günstige Gelegenheit, sich zu beweisen, hatten in der Praxis die weitaus größeren Auswirkungen. Persönliche Loyalitäten mochten ihre Bedeutung haben, doch in diesem Falle kannte Rankin diese Männer überhaupt nicht, und daher war es auch nicht möglich, dass er sie besonders schätzte: Er hatte einen wie den anderen erst vor nicht einmal einem Monat zum ersten Mal gesehen.
    Laurence hatte gewusst, dass sein Versuch nichts ändern würde, aber er hatte trotzdem etwas sagen wollen. »Sir, vielleicht sind Sie sich nicht im Klaren darüber, dass Kapitän Granby anderes im Sinn hatte«, hatte er gesagt.
    Rankin hatte ihn, so beleidigend, wie nur irgend möglich, zurechtgewiesen und fügte nun hinzu, ohne sich die Mühe zu machen, seine Stimme zu dämpfen: »Ich habe nicht vor, zuzulassen, dass dieser Stützpunkt, Ihrem schlechten Vorbild entsprechend, in der gleichen ungesetzlichen und falschen Weise geführt wird.«
    »Womit Sie, davon gehe ich aus, darauf anspielen, dass Mr. Forthing aus keiner Fliegerfamilie stammt«, sagte Laurence.
    »Man braucht sich nur Ihr Beispiel vor Augen zu halten, um den Wert einer gut ausgebildeten, vertrauenswürdigen Ahnenreihe zu schätzen, einer Familie, die versteht, was Drachen sind und worin ihre Pflichten bestehen«, antwortete Rankin.
    Temeraire hatte bislang angstvoll das Ei angestarrt, aber bei diesen
Worten hob er den Kopf und sagte: »Nun, wenn der Schlüpfling lieber Mr. Forthing auswählt, dann wird er ihn auch bekommen, und das werde ich bestimmen, ob Ihnen das nun gefällt oder nicht. Mir ist es völlig egal, ob er eine vertrauenswürdige Ahnenreihe hat oder nicht.«
    Rankin wirbelte herum, um sich mit ihm auseinanderzusetzen, doch in diesem Augenblick begann das Ei hin- und herzuschaukeln. Dann brach die Schale rings um die Mitte herum, oder jedenfalls beinahe, und zog mit einem Schlag alle Aufmerksamkeit auf sich. Das Ei kippte um, teilte sich dabei aber nicht richtig in zwei Hälften. Doch mit deutlich sichtbarer Anstrengung wurde die angeschlagene, obere Seite langsam über den Boden geschoben und schabte über die verbrannte Erde. Mühsam schlüpfte das Tier heraus.
     
    Es gab ein kurzes, entsetztes Schweigen, als es seinen Kopf hob. Vor ihnen lag eine seltsame, missgebildete Kreatur, die nichts von der geschmeidigen, gefährlichen Anmut an sich hatte, die jedes andere Drachenjunge, das Laurence bislang gesehen hatte, schon beim Durchbrechen der Schale aufgewiesen hatte. Dieses hier war ein langes, beinahe skelettartiges Ding, überall braungrau getupft. An den Schultern und in Flecken überall auf dem Rücken war es voller Dornen, die wie die Haken am Schwanz der Bunten Greifer aussahen, von denen das Ei stammte. Der Schlüpfling hatte außerdem die Krallen des parnassianischen Vaters geerbt, die so lang waren, dass das Tier sie sich ins eigene Fleisch zu rammen drohte.
    Die Flügel waren kleine Stummel, die eng zusammengerollt waren und schlaff über die Flanken des Schlüpflings baumelten, doch als das Tier versuchte, sie auszustrecken, kamen ebendiese Flanken zum Vorschein. Es waren aufgeblähte,

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