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Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Titel: Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Ziegenmeyer
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darauf ganz aufzulösen.
    Mehrmals legte Auguste kleine Pausen ein. Sie ging in die Hocke, raffte ihre Röcke zusammen und begann, auf dem Boden umherzutasten, bis sie ein kleines Stöckchen fand. Behutsam legte sie es sich auf die ausgestreckte Handfläche. Anschließend murmelte die Hexe einige Silben und blies über das Stück Holz hin.
    Eine Weile geschah gar nichts. Dann begann der Zweig zu zittern, als hätte ihn ein plötzlicher Wind erfasst. Das Hölzchen verließ Augustes Hand, stieg einige Zentimeter auf und drehte sich in der nebligen Luft langsam um die eigene Achse. Schließlich verharrte es in einer ganz bestimmten Richtung. Die Hexe pflückte den Ast aus der Luft, legte in wieder auf den Boden und stapfte davon.
    Trotz dieses kleinen Hilfsmittels wurde sie das Gefühl allerdings nicht los, hoffnungslos in die Irre zu laufen. Das Licht wurde allmählich schwächer, und auf den umherliegenden Steinen zeichneten gelbliche Flechten ein unwirkliches, im Dämmerlicht schimmerndes Muster. Gab es auf der ganzen Welt überhaupt einen Berg, der so verdammt hoch war?
    Plötzlich gewahrten ihre Augen vor ihr etwas Dunkles. Traumwandlerisch hielt sie darauf zu. Nach wenigen Metern zeichnete sich im Nebel die Oberfläche einer Felswand ab, in der es einen einzigen Durchlass gab. Ein Pfad führte steil nach unten. Der wattige Dunst blieb an seiner Schwelle zurück und ließ nur dünne Nebelfinger übrig, die tastend über den Boden krochen.
    Vorsichtig machte Auguste einen Schritt. Unangenehm laut hallte das Geräusch ihrer Schuhe von den Felsen wider und verschwand im Dunkel des Tales. Eine Gänsehaut überkam sie. Es war, als würde die Dunkelheit auf sie warten, ihre Geräusche aufsaugen. Begierig. Die Hexe hatte ihr Ziel erreicht. Und am liebsten wäre sie auf der Stelle wieder umgekehrt.
    Eine alte Allee säumte den Pfad. Während Auguste zögerlich vorwärtsschritt, hatte sie das Gefühl, dass sich die Kronen der Bäume über ihr zusammenbeugten und drohend wisperten. Eine kleine Maus stahl sich im Laub davon und bescherte ihr damit beinahe einen Herzinfarkt.
    Etwa hundert Meter vor ihr erstreckte sich der See. Die Luft war so dicht und schwer, als stünde Auguste nicht in einem Tal, sondern unter dem Dach einer großen Halle. Jeder Schritt führte sie durch dicke Haufen knisternder, brauner Blätter.
    Als sie das Ufer erreichte, setzte sich die Hexe nieder. Die alte Gunhilda hatte ihr erklärt, wie es lief. Ruhig ließ sie ihre Beine über den Rand der kleinen Böschung baumeln, blickte auf das Wasser und verschnaufte einen Augenblick. Neben ihr erhob sich ein gewaltiger Baum, dessen Borke an mehreren Stellen tiefe Furchen aufwies. Seine Zweige verloren sich irgendwo über ihr in der Dunkelheit. Mit ihren Enden senkten sie sich wieder in das Wasser und bildeten auf diese Weise eine große Kuppel.
    Auguste holte eine einzelne Nuss hervor und legte sie neben sich in das Gras. Dann wartete sie. Das Wasser des Sees schien sonderbar schwer und träge. An manchen Stellen wiegten sich zottige Algenbüschel verträumt hin und her. Einige Augenblicke später erklang ein Rascheln in den Zweigen des Baumes, und die Hexe wandte sich um. Ein Eichhörnchen hockte auf einem der unteren Äste und blickte sie an.
    Sein Fell war vollständig ausgeblichen. An manchen Stellen war es sogar schon so dünn, dass es nur mühsam eine nicht unerhebliche Zahl Altersflecken verdeckte. Auguste spürte, wie sich Mitleid in ihr regte, doch sie wusste, worauf es ankam und erwiderte den Blick schweigend.
    „Was willst du hier?“
    Die Stimme des Eichhörnchens war dünn und gleichwohl schroff. Trotzdem musste Auguste amüsiert feststellen, dass es vorsichtig nach der Nuss schielte.
    „Ich muss mit der alten Eulalia sprechen.“
    Das Tier musterte sie abschätzend.
    „Sie schläft. Eulalia Weidensang braucht ihre Ruhe.“
    „Ich weiß. Aber es ist wichtig. Bitte – weck sie für mich.“
    So seltsam es scheinen mochte: Es führte kein Weg zu Eulalia als über dieses Tier. Es war weder besonders stark, noch auf irgendeine Weise mächtig. Dafür aber ebenso flink wie klein. Und über die Jahre hatte ihr dieser Wächter gute Dienste geleistet.
    „In deinem eigenen Interesse hoffe ich, dass du einen guten Grund für diese Entscheidung hast.“
    Auguste nickte, wenn auch mit einem gewissen Zögern. Irgendjemandem hatte es gefallen, ihr Leben gehörig umzukrempeln. Alles, was sie kannte, schien verschwunden. Man hatte sie herumgeschubst, ihr

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