Drachengasse 13, Band 03
werfen?“, wollte er wissen.
„Nein, eigentlich gibt man etwas von der Flüssigkeit nach dem Ritual auf den gewünschten Gegenstand“, erwiderte Hanissa. „Aber da Pips Speichel nun schon mal auf dem Tuch war, habe ich den Zauber etwas abgekürzt. Es sollte keinen Unterschied machen.“
Noch vor wenigen Wochen hätte es sie gegraust, derart auf gut Glück zu zaubern. Aber offenbar färbte Tomrins und Sandos Sorglosigkeit langsam auf sie ab. Hoffentlich geht das nicht irgendwann schief, ging es ihr durch den Sinn.
Kurz darauf war das Gebräu abgekühlt, und Hanissa fischte das triefende Schmusetuch wieder heraus. „Jetzt wird es spannend“, sagte sie.
Sie nahm das Tuch in die Linke und murmelte die magischen Worte, die den Findezauber auslösen sollten. Dazu bewegte sie die Finger der Rechten nach einem festgelegten Bewegungsmuster in der Luft. Für Zuschauer musste es so aussehen, als spiele sie auf einer unsichtbaren Harfe.
Hanissa hielt den Atem an, und sie sah, dass auch Tomrin und Sando wie gebannt auf das Tuch starrten. Würde der Findezauber trotz der behelfsmäßigen Zutaten gelingen?
Einen Augenblick später hatten sie die Antwort: Ein schwach glitzerndes goldenes Band erschien in der Luft und führte direkt aus ihrem Versteck hinaus in den Gang.
„Fantastisch, Nissa!“, rief Tomrin begeistert. „Los, holen wir uns die Königinlarve.“
„Äh, sagt mal“, mischte Sando sich ein. „Merkt der Entführer nicht, dass wir einen Zauber gewirkt haben? Dieses Band ist ja kaum zu übersehen.“
Den Gedanken hatte Hanissa auch schon gehabt, aber ihr war keine Lösung für das Problem eingefallen. Sie zuckte mit den Schultern. „Es gibt nichts, was wir dagegen tun können“, gab sie zurück. „Ich kann den Findezauber höchstens wieder aufheben, wenn wir nachgeschaut haben, wohin das Band führt. Und wenn wir nicht weiterwissen, wirke ich ihn erneut. Auf diese Weise ist das Band nicht ständig bei der Königinlarve sichtbar, und vielleicht wird es dann nicht bemerkt.“
„Trotzdem sollten wir uns beeilen!“, drängte Tomrin. „Wenn dem Burschen der Zauber auffällt, möchte ich ihm möglichst wenig Zeit lassen, sich auf unser Kommen vorzubereiten. Also Schluss mit der Heimlichkeit und auf zum Angriff!“ Er zog sein Schwert und riss den Vorhang beiseite.
Hanissa wünschte sich, es gäbe eine nicht ganz so plumpe Vorgehensweise, aber ihr fiel keine ein. Also nickte sie und folgte dem davonstürmenden Hauptmannssohn. Sando, Quox, Fleck und Pip schlossen sich ihnen an.
Zu fünft rannten sie dem Band aus glitzerndem Licht nach. Es führte sie immer weiter hinauf in die oberen Stockwerke des Baus. Hanissa löste das Band immer wieder auf, damit es den Entführern nicht auffiel. Pip flatterte derweil aufgeregt um sie herum und gab trällernde Laute von sich. Sie begegneten einigen Xix, doch die Insekten waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um ihnen viel Aufmerksamkeit zu schenken.
„Wohin bringt uns dieses Band nur?“, fragte Sando, nachdem er einen Seitenblick durch die Fenster der Galerie geworfen hatte, die sie gerade entlangeilten.
Hanissa schaute ebenfalls aus einem der Fenster. Neben ihnen lag die mittige Hauptkammer des Baus. Es ging schwindelerregend weit in die Tiefe. „Ich hoffe, zu Zrkida“, antwortete sie.
Sie erreichten eine schmale Brücke, die sich in einem weiten Bogen über den Abgrund spannte. Das Band zog sich bis auf die andere Seite.
Während Tomrin übermütig weitereilte, zögerte Hanissa. Eigentlich machten ihr Höhen nicht sonderlich viel aus, aber das hier war schon sehr hoch, und die Geländer links und rechts der Brücke kamen ihr entschieden zu niedrig vor.
„Sieht wenig vertrauenerweckend aus, nicht wahr?“, fragte Sando neben ihr und warf ihr einen mitfühlenden Blick zu.
Das Mädchen nickte.
„Keine Angst“, klackte Quox, der zusammen mit Fleck als Letzter eintraf. „Diese Brücken können ganze Schwärme unseres Volkes tragen.“
„Ich habe keine Angst“, versicherte Hanissa sofort und setzte sich wieder in Bewegung. Dennoch hielt sie den Blick starr auf die Mitte der Brücke gerichtet, als sie darüber hinweglief.
Sie hatten die andere Seite kaum erreicht, als sie sahen, wie das Band des Findezaubers in einem Fenster verschwand, das mit einem Gitter aus schlanken Holzstreben verschlossen war. Einige Schritte gangabwärts befand sich eine Türöffnung. Ein Vorhang verwehrte den Blick ins Innere.
Unvermittelt hob Quox den dreieckigen
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