Drachengasse 13, Band 04
fleckige Schürze um den Bauch gebunden und trug zwei große Schinkenkeulen in den Armen.
Die Augen des Mannes weiteten sich. „Da soll mich doch … “, entfuhr es ihm. „Was bist du denn für eine kleine Aasratte?“ Er legte die Schinkenkeulen neben sich auf den Boden.
Fleck, dessen Magen nun wieder zu knurren anfing, hätte sich am liebsten eine der Keulen geschnappt, aber dann wäre ihm der Stein aus dem Maul gekullert. Außerdem blieb ihm keine Zeit, denn der Mann – offensichtlich der Wirt des Tafelecks – hob beide Hände und machte scheuchende Bewegungen.
„Los, raus hier, du halbe Portion! Hier gibt es nichts zu stehlen! Verschwinde, bevor ich meinen alten Streitkolben hole und ihn dir über den grünen Schädel ziehe.“
Die Worte des Wirts zeigten Wirkung. Fleck rannte davon, erst durch den Korridor, dann über den Hinterhof und schließlich durch die Gasse zwischen den Häusern zurück auf die Straße. Nicht weit entfernt sah er das klotzige Bauwerk aufragen, in dem Hanissa war.
Fleck hoffte, sie würde bald herauskommen.
Kapitel 7
Angriff der Geister!
Die Drachenschule Bondingors am Ende der Drachengasse war gleich nach der Hafengegend Sandos liebster Ort in der ganzen Stadt. Nirgendwo sonst herrschte eine derartige Atmosphäre von Abenteuer und großer weiter Welt. In der Drachenschule züchtete der alte Osrum, seit Langem ein Freund von Tomrin, Sando und Hanissa, Flugdrachen für die Stadtgarde.
Auch an diesem Tag stand das breite Tor offen. Sando und Tomrin betraten den weitläufigen Innenhof, und wie so oft staunte der Straßenjunge über das emsige Treiben jenseits der hohen Mauern. Gewaltige Drachen dösten in ihren Käfigen in der Sonne oder taten sich am noch dampfenden Fleisch in ihren Futtertrögen gütlich. Arbeiter schritten geschäftig zwischen den Käfigen umher oder kümmerten sich um die Jungtiere in den Freigehegen. Die Luft roch nach Schweiß, Schwefel und pürierten Ratten – einer Leibspeise der kleinen Drachen, bei deren Erwähnung Sando jedes Mal ein wenig übel wurde.
Und die Luft roch nach Angst – zumindest heute.
„Burps! Burps, wo bist du?“
Die Rufe hallten von den Mauern wider. Sando drehte den Kopf und sah sich um. Nach und nach begriff er, dass die Arbeiter sich gar nicht um die Drachen in den Käfigen kümmerten. Offenbar hatten Osrums Angestellte momentan Besseres zu tun, als die schuppigen Reit- und Flugtiere zu pflegen.
„Burps! Burpsilein!“ Ein schmächtiger Stallbursche mit Pickeln im Gesicht und brüchiger Stimme ging an den beiden Freunden vorbei, ohne sie zu bemerken. Er trug einen Eimer voller Rattenpüree in der Rechten, aus dem er mit der anderen Hand – und angeekeltem Gesicht – fleißig Brei herausschöpfte und als Köder in die Gegend hielt. „Komm doch wieder zurück, Burpsi. Ich hab auch was Feines für dich.“
„Sag jetzt nicht, dass Osrums Haustier verschwunden ist“, raunte Sando Tomrin zu.
Der nickte. „Sieht ganz so aus. He, Alfried“, rief er dem Burschen hinterher. „Was ist passiert?“
Alfried blieb stehen, blinzelte verwirrt und drehte sich um. Erst jetzt wurde er sich der Anwesenheit der beiden Jungen bewusst. „Herr Tomrin“, grüßte er traurig. „Ah, es ist zum Mäusemelken. Als wir heute Morgen die Amtsstube aufschlossen, entwischte uns Burps. Seitdem ist er nicht wieder aufgetaucht. Wenn Meister Osrum davon erfährt, wirft er uns den Schattenbrennern zum Fraß vor.“
Das war natürlich übertrieben. Sando kannte Osrum; einen gerechteren und gütigeren Mann hatte er selten gesehen. Allerdings hing er an seinem Burps, was sich niemand so recht erklären konnte.
Burps war ein Hausdrache, in Größe – und Benehmen! – glich er aber einem Ferkel. Er schien die ganze Welt als seinen persönlichen Besitz zu betrachten und hatte von Rücksichtnahme vermutlich noch nie gehört. Wenn er in Osrums Arbeitszimmer in seinem Körbchen lag, sah er die Personen, die sein Herrchen besuchten, stets so missbilligend und unfreundlich an, dass es einem angst und bange werden konnte. Mehr als einmal hatte sich Sando schon gefragt, ob das gehässige kleine Wesen gleich aufspringen und ihn ins Bein beißen würde. Das war aber nie passiert. Stattdessen schien es Burps weitaus größeres Vergnügen zu bereiten, die Luft mit seinen Darmwinden zu verpesten.
„Weit kann er nicht sein“, tröstete Tomrin den verzweifelten Alfried. „Oder? Er wird das Gelände ja kaum verlassen haben.“
Sando rollte mit den Augen.
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