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Drachenglut

Titel: Drachenglut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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einen missgelaunten Abgang gemacht hatte, konnte Tom keinen klaren Gedanken mehr fassen. Seine Laune besserte sich auch nicht, als Mrs Gabriel in sein Büro kam, um sich über die Schändung zu beschweren.
    »Die folgen nur Ihrem Beispiel, und, nein danke, ich möchte mich nicht setzen! Sie haben das in Gang gesetzt, Herr Pfarrer, und wer weiß, wohin das noch führen wird. Jetzt haben die schon die Kirche g e schändet!«
    Tom seufzte, der Lärm von Mr Purdews Leuten, die mit der Reparatur des Portals begonnen hatten, traf anklagend seine Ohren.
    »Wie konnte man nur das Kreuz da herausholen!« Mrs Gabriel schüttelte den Kopf. »Vielleicht lag es aus einem bestimmten Grund da unten, haben Sie sich darüber schon mal Gedanken gemacht?«
    »Mrs Gabriel, man vergräbt Kreuze doch nicht grundlos zwei Meter tief. Und selbst wenn es jemand vergraben hat, dann hat es dort viele Hundert Jahre gelegen, und nun war es an der Zeit, dass man es fi n det und restauriert. Die Menschen von heute möchten es gern betrachten und sich daran freuen. Sie könnten in seiner uralten Spiritualität Trost finden.«
    Mrs Gabriel holte tief Luft. Dann sagte sie: »Ein i gen Menschen wäre das Zertrümmern des Kreuzes ein größerer Trost.«
    Tom runzelte verblüfft die Stirn. »Was wollen Sie damit sagen? Das Kreuz war doch schon zerbr o chen.«
    »Das mag ja sein, aber jetzt sind die Teile vonei n ander getrennt«, entgegnete Mrs Gabriel störrisch.
    Tom kam es so vor, als hätte er etwas nicht begri f fen. »Ich weiß doch auch, dass dieser Diebstahl ein großer Verlust ist«, sagte er. »Aber, Mrs Gabriel, wir besitzen immer noch den größten Teil des Kreuzes und können es auf dem Kirchplatz aufstellen. Es wird nicht von hier wegkommen, das versichere ich Ihnen.«
    »Das wird auch nichts ändern«, sagte sie und wandte sich zum Gehen.
    Tom richtete sich auf und redete ihren Rücken mit aller Hochachtung an, zu der er sich aufraffen kon n te. »Mrs Gabriel, gibt es da etwas, das ich nicht weiß? Was Sie mir mitteilen könnten?«
    Ihre Stimme kam von draußen. »Was wissen wir schon über diese Kirche oder ihre Geschichte? Sie doch am allerwenigsten, junger Mann.«
    Die Tür wurde geschlossen.
    Zwanzig Minuten später betrat Tom die Bibliothek von Fordrace.
    Als Tom sich vorsichtig dem Tresen näherte, b e lohnte ihn die Bibliothekarin mit einem breiten Wil l kommenslächeln, und nicht zum ersten Mal fragte er sich, wie Vanessa Sawcroft es fertigbrachte, in dieser Sommerhitze ein graues Wollkostüm zu tragen.
    Die Fenster standen offen, aber die Luft war drü c kend, und es roch nach Flieder und Leder. Miss Sawcroft war eine gepflegte Frau in den Fünfzigern und trug immer hochgeschlossene Blusen und ihre grauen Haare in einem exakten Pagenschnitt, der aufglänzte, wenn sie sich bewegte. Sie maß Tom mit einem Blick, der ihre Tüchtigkeit verriet.
    »Hallo«, sagte Tom. »Ich würde gern … «
    »Sie sehen schrecklich müde aus, Herr Pfarrer.«
    »Sagen Sie ruhig Tom zu mir. Ja, ich bin auch ziemlich müde. Es gab in St. Wyndham einigen Ä r ger. Es könnte sich um Diebstahl handeln.«
    »Das tut mir aber leid. Wollen Sie jetzt Ihren Kummer in Literatur ertränken?«
    »So ungefähr. Ich interessiere mich für Ihre B ü cher über die Lokalgeschichte.«
    »Dort drüben auf dem dritten Regalbrett. Geht es um etwas Spezielles?«
    »Kirchengeschichte, Sagen aus der Gegend hier, solche Sachen.«
    »Das steht alles dort.«
    Tom ging zu dem bezeichneten Regal, das neben einem hohen Fenster in der hinteren Ecke stand.
    Ein Korbsessel mit einem grünen Kissen erwartete ihn. Er ließ den Blick über die Buchreihen wandern und zog eine Broschüre des Fordracer Frauenvereins hervor: Unsere Kirche und ihre Menschen, außerdem zwei Bücher in Hochglanz-Einbänden über die G e meindekirchen von Hereford bis Worcester, wozu auch St. Wyndham gehörte.
    Keines der beiden Bücher verriet ihm jedoch e t was, das er noch nicht wusste. Seine Kirche war von den Normannen im 11. Jahrhundert erbaut worden, ziemlich wahrscheinlich auf den Grundmauern einer angelsächsischen Kirche. Sie war nach einem wenig bekannten Heiligen mit unbedeutenden Verdiensten benannt und in den folgenden Jahrhunderten nie mehr als eine schlichte Dorfkirche gewesen. Sie b e saß einen hübschen Turm, eine erwähnenswerte Kanzel aus Mahagoni (die im 13. Jahrhundert von einem wohltätigen Ritter aus Palästina mitgebracht worden war), einen abgeschlossenen Gebetsraum über dem

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