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Drachenglut

Titel: Drachenglut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Die können ruhig mal kurz warten. Hier entlang, Michael, das Woh n zimmer ist am anderen Ende des Flurs. Ich hol dir gleich die Gemeindeblä t ter.«
    Michael ging durch den engen Flur, Mr Cleever war dicht hinter ihm. An den weißen Wänden hingen alte Stiche, die das archäologische Interesse ihres Besitzers widerspiegelten – Michael sah im Vor ü bergehen behauene Steine, Steinkreise, Burgen und Ruinen.
    Der Fußboden war schwarz-weiß gefliest, und in den Ecken standen Aspidistras in hohen Vasen. Es gab überraschend wenig Licht. Alles verströmte eine altmodische Atmosphäre, und Michael fühlte sich durch so viel Geschichte etwas beklommen.
    Sie kamen an der Tür vorbei, die in das Vorde r zimmer mit dem Erkerfenster führte. Sie war g e schlossen bis auf einen schmalen Spalt, durch den Licht schimmerte. Von drinnen drang laute klass i sche Musik zu ihm, aber trotzdem kam es Michael so vor, als hätte man die Lautstärke runtergedreht, und auch die Stimmen schienen verstummt.
    Am Ende des Flurs war ein kleines Wohnzimmer. Mr Cleever drückte sich an Michael vorbei und bot ihm mit einer Geste an, sich in einen Sessel zu se t zen.
    »Die Flugblätter sind irgendwo oben. Ich hole sie rasch. Möchtest du ein Bier, während du wartest?«
    Michael war etwas verdutzt. So was fragten E r wachsene sonst nicht. Die einzigen Biere, die er bi s lang getrunken hatte, waren verboten gewesen, die hatten Stephen und ein paar ältere Freunde spendiert. Aber Mr Cleever war Junggeselle, vielleicht kannte er sich nicht aus.
    Er nutzte die Chance und sagte: »Ja, bitte.«
    »Sehr schön.«
    Erst als Mr Cleever eine Flasche aus der Küche nebenan holte, fiel Michael wieder ein, dass sein Gastgeber Leiter der Jugendgruppe von Fordrace war und sich mal in einem Feldzug gegen den Alkoho l konsum von Jugendlichen hervorgetan hatte.
    Alter Heuchler, dachte er, als er die Flasche entg e gennahm.
    »Dauert nur eine Sekunde.« Mr Cleever lächelte und verschwand in den Flur. Michael hörte ihn die Treppe hochgehen.
    Er lehnte sich im Sessel zurück und nippte am Bier. Der scharfe, erdige Geruch verstärkte sein al l gemeines Gefühl der Unwirklichkeit. Er sah sich u n interessiert um und wartete auf Mr Cleevers Rüc k kehr. Über ihm ertönten Schritte, aber sein Gastgeber blieb erst mal verschwunden.
    Michaels Blick fiel auf einen Kupferstich über dem Kamin. Er war das einzige Bild an der Wand und steckte in einem vom Alter gedunkelten vergo l deten Rahmen. So was hatte er schon mal in Büchern gesehen: der dreidimensionale Plan einer histor i schen Stätte, nur aus einer sehr seltsamen Perspekt i ve. Die kleinen Gestalten trugen Gewänder aus e i nem anderen Jahrhundert. Schnörkelige Buchstaben – A, B, C, D – kennzeichneten wichtige Details, und Erläuterungen zu diesen Buchstaben standen in Schönschrift unter dem Stich, aber zu klein, als dass Michael sie aus der Entfernung hätte lesen können.
    Die Stätte zeigte einen grasbedeckten Grabhügel, der von einem Steinring umgeben war. Die Hälfte davon schien bereits eingestürzt zu sein. Männer mit hohen Hüten standen auf dem Hügel und hielten sel t same Messgeräte in den Händen. Im Hintergrund war ein kleineres Hügelgrab, und etwas Dunkles flog am Himmel. Michael wollte schon aufstehen und sich das Bild aus der Nähe anschauen, aber die vom Bier verursachte angenehme Trägheit hielt ihn davon ab.
    Auf dem Kaminsims unter dem Stich – wo blieb eigentlich Mr Cleever? – lag ein kleiner Gegenstand, an dem Michaels Blick hängen blieb. Zwischen einer Kuhmagd aus Porzellan und einem Trommlerknaben, die er beide ziemlich doof fand, erkannte er eine Ei d echse aus Keramik.
    Sie war etwa fünfzehn Zentimeter lang und hatte einen zusammengeringelten grünen Leib mit einem endlos langen Schwanz, der sich zweimal um den Körper wickelte. Sie hatte den Kopf leicht angeh o ben, die kleinen roten Augen hinter dem schmalen langen Maul waren halb geöffnet und betrachteten kühl abschätzend den Raum. Das Maul war zwar g e schlossen, aber irgendwie vermittelte es den Ei n druck, dass eine Menge Zähne darin waren. Man konnte die Wölbungen genau erkennen.
    Michael sah die Figur kurz an und zum ersten Mal seit mehr als einer Stunde fingen sein Augen an zu schmerzen.
    Zweifellos war die Plastik meisterhaft gearbeitet, vielleicht war sie sogar wertvoll. Die zwei funkel n den Augen waren womöglich Granate oder andere Halbedelsteine. Vielleicht sogar Rubine! Manche der größeren Schuppen

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