Drachengold: Roman (German Edition)
mir Miss Roland verzeiht, dass ich sie so lange vernachlässigt habe.« Miss Rolands Gesichtsausdruck machte mehr als deutlich, dass sie eine weitere Vernachlässigung leichter entschuldigen könnte als eine Rückkehr zum alten Zustand. »Aber ich kann es doch nicht zulassen, dass Miss Roland nun noch weiter auf mich verzichten muss.« Dann ergänzte sie: »Vielen Dank, Monsieur De Guignes, für Ihre großzügige Gastfreundschaft, und bitte danken Sie auch Mme. Récamier für ihre Freundlichkeit, mir ein Kleid zu überlassen.« Sie streckte ihm ihre Hand entgegen, und mit einem Mal strahlte diese dreißig Jahre ältere Anstandsdame mitten auf dem Platz, von allen Seiten umgeben von abgerissen aussehenden Soldaten, eine Autorität aus, als gewähre sie gerade eine Audienz in der Londoner St.-James-Kathedrale.
De Guignes nahm seine Zurückweisung sehr unwillig zur Kenntnis, und seine mürrische Miene wurde nur noch von Emily Rolands eindeutig aufsässigem Blick übertroffen. Aber nachdem er und seine Männer einige weitere höfliche Bemerkungen geäußert hatten, machten sie sich schließlich wieder auf den Weg in ihr eigenes Lager auf der anderen Seite des Platzes und ließen Mrs Pemberton zurück. Sie wirkte merkwürdig unpassend in ihrem ordentlichen Kleid, mit Handschuhen und mit ihrer ruhigen Ausstrahlung, wie sie dort stand und darauf wartete, dass Laurence ihr einen Sitzplatz anböte. Dafür rollte er eilig ein dickes Seil des Bauchnetzes zusammen und polsterte es mit verschiedenen einheimischen Schultertüchern, die ihnen ebenfalls überlassen worden waren, aus.
De Guignes hatte Mrs Pemberton mit seinen Männern zusammen nach Cusco gebracht. »Was er jetzt sicher sehr bereut, wie ich zu behaupten wage«, sagte sie, als sie Platz genommen hatte. »Er war alles andere als begeistert von dem Gedanken, mir zu gestatten, mich Ihnen wieder anzuschließen, und ich bin mir ganz sicher: Hätte ich Ihre Ankunft nicht mit eigenen Augen gesehen, hätte er mir diese Nachricht nur zu gerne so lange wie möglich vorenthalten.«
»Ich möchte eigentlich nur ungern annehmen, dass Monsieur de Guignes sich jemals so wenig wie ein Gentleman verhalten würde«, sagte Laurence, der betroffen davon war, wie leichtfertig sie einen Mann verurteilte, der, wie es ihm schien, nur für ihre Sicherheit hatte sorgen wollen.
»Oh, ich will kein böses Wort über ihn verlieren, Kapitän, ganz bestimmt nicht«, sagte Mrs Pemberton. »Schließlich hat er mich ja am Ende gehen lassen, und man kann es ihm unter den gegebenen Umständen nicht verdenken, dass er meinen Entschluss bedauert. Er kann sich schließlich nicht auf meine Verschwiegenheit verlassen.«
»Natürlich nicht«, sagte Hammond begeistert, »natürlich nicht. Wie könnte er glauben, dass sich eine Untertanin des Königs mit ihm gemein macht, wenn es um die Belange ihrer eigenen Nation geht. Madam, bitte verraten Sie mir: Sind die Franzosen selbst zum Sapa Inka vorgelassen worden oder nur ihre Drachen?«
»Nicht die gesamte Gruppe«, antwortete Mrs Pemberton, »aber ja: Sie verkehren jeden Tag mit dem Hof …«
»Jeden Tag!«, rief Hammond todunglücklich. »Gütiger Himmel: Wir müssen einen Weg finden, die Inka davon zu überzeugen, uns ebenfalls zu empfangen. Kapitän Granby, Sie müssen all Ihren Einfluss auf Iskierka geltend machen … Sie müssen sie davon überzeugen, eine Einladung zu erwirken …«
»Sir«, unterbrach ihn Mrs Pemberton, »ich selbst bin für morgen wieder einbestellt. Natürlich wäre ich sehr erfreut …«
» Was ? Sie haben ihn getroffen?«, fragte Hammond. »Wie kam es zu diesem Arrangement, und wo …?«
» Sie getroffen, Mr Hammond«, sagte Mrs Pemberton.
»Äh, ich verstehe nicht ganz«, erwiderte Hammond.
»Der Sapa Inka ist eine Frau«, erklärte Mrs Pemberton.
Die Herrscherin, so konnte ihnen Mrs Pemberton erläutern, war die Witwe des vorangegangenen Sapa Inka und die Tochter von wiederum dessen Vorgänger. »Soweit ich das begriffen habe, ist er an den Pocken gestorben. Während er noch auf dem Krankenbett lag, war sie bereits wieder genesen und übernahm zwischenzeitlich seine Vertretung, um bei Hofe für ihn zu sprechen. Er scheint ausgesprochen lange dahingesiecht zu sein. Die Inka haben die äußerst merkwürdige Sitte, die Toten zu konservieren, anstatt sie ordentlich zu begraben, aber ich habe es so verstanden, dass seine sterblichen Überreste nicht mehr für die Augen der Öffentlichkeit geeignet waren und deshalb unter einem
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