DrachenHatz
vielleicht auf den Heider Marktplatz stellen und bekennen? Was sagt denn die Polizei dazu?«
»Oh, die gibt sich wirklich Mühe«, ätzte Thomas. »Und einmal hat sie es sogar mit einer Fangschaltung versucht. Aber viel Hoffnung konnten die Beamten Greta nicht machen. Und recht hatten sie. Wie gesagt, seit knapp einem halben Jahr geht das nun schon so. Aber jetzt ist es ja vorbei«, beruhigte er sie.
»Hoffentlich«, sagte Greta leise, während Marga ungefragt ihre Kaffeetasse auffüllte und einen ordentlichen Schuss Sahne dazugab. »Er ist zum Schluss immer fieser geworden. Und ich hatte wirklich Angst.«
»Rief er über das Festnetz an oder über dein Handy?«, fragte ich. Auch wenn es vorbei war, konnte man schließlich nie wissen. Und vielleicht erwischte ich den Kerl auch so.
»Festnetz«, murmelte Greta, »und Handy. Er würde immer wissen, wo ich mich aufhalte, hat er gesagt. Und er könnte mir jederzeit die Arme brechen, wenn ich den Mund nicht endlich aufmachen würde. Deshalb bin ich ja umgezogen. Hier wird er mich nicht so leicht finden. Und meine Handynummer habe ich natürlich auch gewechselt.«
Ich schwieg. Ich war anderer Meinung. Bokau war – trotz Matulkes exorbitant leckerer Cremeschnitten und Inge Schiefers sagenumwobener Maischollen mit Kompott – wahrlich kein Paradies auf Erden. Auch hier lauerte manchmal das Böse, wie Marga und ich aus leidvoller Erfahrung wussten. Und wie zur Bestätigung meiner These fing das Telefon in der Nachbarwohnung an zu klingeln. Gedämpft zwar, aber trotzdem unüberhörbar.
»Nein!«, entfuhr es Greta entsetzt. Ihre Hände verkrampften sich ineinander, und in Bruchteilen von Sekunden bildete sich ein leichter Schweißfilm auf ihrer Oberlippe. Es hätte nicht viel gefehlt und sie hätte auch noch angefangen, vor Schreck mit den Zähnen zu klappern.
»Das wird deine Mutter sein. Oder ein ehemaliger Kollege, der fragen will, ob alles geklappt hat«, versuchte Thomas sie zu beruhigen, doch ich sah ihm an, dass er seinen Worten selbst nicht glaubte.
Geradezu flehentlich blickte Greta zu mir herüber. »Bitte, Hanna, geh du ran. Du bist doch Detektivin. Thomas hat es mir erzählt. Du kannst das doch. Du wirst bestimmt mit ihm fertig.«
In diesem Moment verstummte das Klingeln, und die Spannung wich von uns wie die Luft aus einem angestochenen Ballon.
»Vielleicht hat sich jemand auch nur verwählt«, mutmaßte Greta nach einer Weile mit vor Erleichterung zittriger Stimme. »Das ist am wahrscheinlichsten, oder?«
»Genau so wird es sein«, meinte Marga entschlossen, Thomas nickte enthusiastisch, und ich zwang mich, laut und deutlich »Aber sicher!« hinzuzufügen, obwohl ich skeptisch war. So schwer war es schließlich heutzutage nicht, Leute, die man unbedingt finden wollte, aufzuspüren – zumal, wenn die derart dilettantisch ihre Spuren verwischt hatten.
Greta sprang dynamisch auf. »Kommt, lasst uns noch schnell das Nötigste zusammenschrauben, und dann habt ihr Feierabend. Ich komme wirklich gut allein zurecht. Und, Marga, an dich erst einmal ein ganz dolles Dankeschön für das leckere Essen. Ich werde mich bald bei euch revanchieren.«
Wir erhoben uns stöhnend.
»Du bist wirklich topfit, Hanna«, raunte mir Thomas, der hinter mir ging, in diesem Moment ins Ohr. »Wie ein junger Hüpfer, aber ungleich erotischer. Weißt du, was ich jetzt könnte …?«
Ich drehte mich um. Ich hätte ihn zu gern geküsst. Aber Greta vor mir und Marga hinter ihm hielten mich zurück. Also beschränkte ich mich darauf, ihn kurz mit den Augen zu liebkosen. Er zwinkerte mir zu, bevor er für alle hörbar erklärte: »… eine Flasche Sekt besorgen. Damit wir auf den Einzug anstoßen können. Ich bin gleich zurück!«
Greta und ich werkelten im künftigen Wohnzimmer, als das blöde Telefon erneut anfing zu schrillen. Sie versteifte sich so plötzlich, dass ich ihr in die Hacken trat. Zitternd wie ein verängstigtes Tier flüsterte Greta: »Bitte, Hanna!«
Mir war es recht. Dann würde ich mir diesen Typen halt jetzt gleich zur Brust nehmen. Der würde sich wundern, wenn er es am anderen Ende der Leitung nicht mehr mit einem zu Tode erschrockenen Mäuschen zu tun hatte, sondern mit einer ausgewachsenen Tigerin!
Ich riss den Hörer hoch und bremste mich gerade noch rechtzeitig. Vielleicht war es wirklich nur ein Kollege oder unser Bürgermeister, der Greta willkommen heißen wollte. Er war es nicht.
»Hallo«, sagte die Stimme. Sie klang ein wenig nasal, gedehnt
Weitere Kostenlose Bücher