DrachenHatz
klappen.
Wie wäre es stattdessen mit der österreichisch-ungarischen Königin der Herzen, der bezaubernden Lady Di des 19. Jahrhunderts, überlegte Vivian brav, während sie hingebungsvoll an ihrem Keks knabberte. Na? Sisi, Romy Schneider, Weihnachten – war seit drei Monaten vorbei, und wir bewegten uns stramm auf den Sommer zu. Ach Mist!
Es wollte und wollte sich einfach kein rechtes Bild von einer hochintelligenten, wunderschön anzusehenden jungen Comtesse und ihrem Degen schwingenden Edelmann Richard formen. Ob das auch daran lag, dass bei Hofe bestimmt niemand auf den klangvollen Namen Camilla hörte? Johanna vielleicht, aber Camilla? Nee. Die gab es erst jetzt. Und wunderschön konnte man die Gute auch nicht gerade nennen. Also beschloss Hanna, Vivian samt den beiden Liebenden zunächst einmal links liegen zu lassen und zu Greta zu laufen, um nach ihr zu schauen, aber auch, um sie ein wenig auszuhorchen.
Denn ich hatte soeben ihren Fall übernommen.
Meine Klientin war aufgestanden und angezogen, als ich kam, und pusselte unentschlossen an ihren Kartons herum. Gut sah sie immer noch nicht aus, aber auch nicht mehr dermaßen zu Tode erschrocken wie am gestrigen Nachmittag.
»Ah, Hanna, du bist es. Wie schön. Komm, setz dich doch. Der Stuhl hier ist frei. Thomas hat auch schon angerufen, um zu fragen, wie es mir geht. Er ist wirklich ein toller Mann.«
So, so. Bei mir hatte er sich noch nicht gemeldet. Wir hatten uns zwar gestern nicht gerade leidenschaftlich voneinander verabschiedet, aber auch nicht gerade verhalten. Normal halt. Und da hätte er möglicherweise ebenfalls bei mir … Ich brach mitten in der Überlegung ab. Mir gefiel die Rolle der beleidigten Leberwurst überhaupt nicht. Greta war schließlich ernsthaft krank, ich lediglich verliebt.
Bedächtig ließ ich mich auf dem Stuhl nieder. Dann erzählte ich ihr von meinem Entschluss. Greta war begeistert. Und dankbar. Ihre Wangen fingen regelrecht an zu glühen, als ich sie warnte, dass wir, um den Anrufer möglichst bald dingfest machen zu können, ziemlich gründlich in ihrem und Haukes Leben herumstochern müssten. Das könne ziemlich unangenehm werden. Sie war trotzdem einverstanden, denn Hauptsache, es sei bald vorbei, meinte sie. Das sei für sie das Wichtigste.
Also legte ich ihr meine beiden Theorien dar, und sie nickte, obwohl sie sich spontan weder jemanden vorstellen konnte, der ihr übel wollte, noch jemanden, der Hauke dermaßen geliebt hatte, dass er mit dessen jähem Tod nicht fertig wurde.
Ich ließ sie in aller Ruhe darüber nachdenken und sprintete rasch zu Marga hinüber, um einen Saft oder irgendetwas anderes zu erbetteln. Meine Freundin begrüßte mich mit einem freundlichen Klaps auf die Schulter und einem bedächtigen »Dachte ich mir doch, dass dich das nicht loslässt«.
»Anonyme Drohanrufe sind eine ziemliche Schweinerei«, bemerkte ich, während wir warteten, dass das Wasser kochte. Es gab Kaffee.
»Da hast du recht«, stimmte sie mir zu und angelte gleichzeitig nach einer Tüte Mandelplätzchen. »Greta braucht dringend Hilfe. Dein Entschluss ist goldrichtig, Schätzelchen.«
Ich schnappte mir das Tablett mit der Kanne, den Tassen sowie den Keksen und sauste frohgemut wieder hinüber. Das war doch mal ein anderes Gefühl, wenn man nicht immer gegen den Rat der Freunde ermitteln musste, sondern Rückenwind von ihnen erhielt.
»So«, forderte ich Greta nach dem ersten Schluck dynamisch auf, »dann schieß mal los. Wer hat Hauke gekannt? Wer ist sein Vater? Wo habt ihr gelebt? Ich muss wirklich ziemlich viel wissen, fürchte ich.«
»Alles, meinst du wohl«, verbesserte sie trocken, doch keineswegs verschnupft, »aber mir soll es recht sein. Hauptsache, diese Kreatur verschwindet endlich aus meinem Leben.«
Ich erwiderte nichts, sondern wartete geduldig ab. Draußen krähte sich der Gockel die Lunge aus dem Leib. Ob er das nur im Frühjahr tat, wenn es galt, die Damen zu beeindrucken? Oder schrie er auch im Herbst, um sich zu vergewissern, dass er noch da war? Von tierischer Gockologie hatte ich keine Ahnung. Von menschlicher hingegen schon.
»Tja, also, über Haukes Vater kann ich dir nichts sagen, weil ich ihn nicht kenne. Moni sprach nie über ihn, und ich vermute, dass sie möglicherweise selbst gar nicht so genau wusste … Die Zeit war ja direkt um die Jahrtausendwende ziemlich wild. Das hat doch niemanden kaltgelassen.«
Mich schon. Ich habe nie verstanden, weshalb die Leute mit dieser
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