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DrachenHatz

DrachenHatz

Titel: DrachenHatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ute Haese
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hingegeben, weil sie hoffte, dass er hier mehr gefördert und umsorgt wurde, was wohl auch geschehen war.
    Wir sprachen mit den Lehrern und mit einigen seiner ehemaligen Klassenkameraden; aber außer, dass Hauke ein nicht sehr belastbares Kind gewesen war, das viel weinte und öfters fehlte, vermochte sich niemand so recht an den Jungen zu erinnern. Er war da gewesen. Ja. Man zeigte mir sogar den Platz, an dem er gesessen hatte und auf dem jetzt ein semmelblondes Mädchen mit einem stämmigen Körper und blauen Augen thronte, das die ihr zuteilwerdende Aufmerksamkeit sichtlich genoss. Doch was Hauke betraf, war es das auch schon. Tiefere Spuren hatte das Kind in seinem kurzen Leben bei seinen Mitmenschen offenbar nicht hinterlassen. War das normal? Ich muss gestehen, ich wusste es nicht, weil mir die Erfahrung mit Neunjährigen komplett fehlte. Aber ich hegte durchaus den Verdacht, dass man über andere Kinder nicht derart leidenschaftslos, ja fast schon beiläufig gesprochen hätte.
    Ich schaute mich gründlich um, erkundigte mich hier, erkundigte mich da. Doch der erste Eindruck musste nicht revidiert werden. Aus dieser Gemeinschaft vermisste Hauke garantiert niemand derart, dass er dafür anonyme Drohanrufe samt Bloßstellung und Strafe riskieren würde.
    Wir gingen mutlos zurück zum Wagen. Die Nachbarn, fragte ich Greta. Sie hätten kaum Kontakt gehabt, gab sie leise zu. Außer einem neutralen »Moin« über den Gartenzaun habe man praktisch kein Wort gewechselt. Es sei halt schwer in so einem kleinen Dorf. Und sie hätten doch auch erst sieben Monate hier gewohnt. War sie vielleicht in einem Verein gewesen? Oder Hauke? Fußball? Schach? Tischtennis? Die Theatergruppe der Schule? Greta verneinte bedauernd. Ihr Junge sei nicht sehr kontaktfreudig gewesen, ja manchmal habe er sogar fast ein bisschen grämlich gewirkt. Aber dafür habe er nichts gekonnt. Und sie selbst sei lediglich einmal bei einer Lesung von Siegfried Lenz gewesen, doch ausgerechnet an dem Abend habe Hauke einen seiner periodisch auftauchenden Schwindelanfälle erlitten, und sie habe schnell wieder nach Hause gemusst.
    Es war wirklich wie verhext. Alles, was diese Frau anfasste, ging offenbar schief oder war zumindest mit diversen Schwierigkeiten behaftet. Besaß sie vielleicht ein schlechtes Karma? Hatte die Grundgütige etwa einen richtig miesen Tag gehabt, als sie sie erschuf? Oder hatte man das alles lediglich unter der Rubrik »Zufall« zu verbuchen? Dagegen war mein kleines bescheidenes Leben jedenfalls bisher immer gut verlaufen, auch wenn ich manchmal jammerte, weil einiges nicht so gradlinig daherkam, wie ich es mir vor langer Zeit erhofft hatte.
    Ich verwarf den Gedanken an einen kurzen Besuch bei Gisela Möllgard, die ich bei meinem letzten Fall kennengelernt hatte und die hier in der Gegend lebte. Ich hätte sie zwar gern wiedergesehen und gehört, wie es ihr nach allem, was wir zusammen durchgemacht hatten, jetzt ging, doch Greta sah plötzlich völlig erschossen aus, und so beschloss ich, sie umgehend nach Hause zu bringen.

IV
     
    »Greta hat es mir gestern erzählt«, klang Thomas’ Stimme fröhlich durch den Hörer, »und ich finde es wirklich klasse von dir.«
    »Ja«, erwiderte ich gedämpft und beobachtete ein junges Karnickel auf Silvias Wiese, das eilig durch das Grün bretterte, ohne erkennbaren Grund plötzlich stocksteif stehen blieb, nur um dann erneut loszurasen, als sei der Teufel in Gestalt eines Fuchses hinter ihm her. Silvia, all die leckeren Grasbüschel um sich herum fest im Blick, beachtete den Neuzugang gar nicht.
    »Doch, doch, Hanna. Keine falsche Bescheidenheit, bitte. Sie vertraut dir und findet deine Vorgehensweise äußerst professionell.«
    Ob an Harrys mahnenden Osterbrunch-Worten vielleicht doch etwas dran war, schoss es mir den Bruchteil eines Bruchteils einer Sekunde durch den Kopf. Ein wenig merkwürdig war Thomas’ ständiger Kontakt zu Greta schon, fand ich. Die beiden schienen sich fast täglich auszutauschen; eine derartige Telefonfrequenz gab es zwischen ihm und mir nicht. In diesem Moment sah ich Harrys triumphierend grinsendes Gesicht vor mir und hörte ihn raunen: Na da schau her, Hemlokk. Hatte ich also recht, was diesen Westküstenheini angeht. An dem Typen ist todsicher etwas faul. Der gärt doch wie ein matschiger Pfirsich.
    Igitt. Und kompletter Schwachsinn war es natürlich ebenfalls. Thomas und ich hatten es lediglich aufgrund der Situation nicht ganz leicht miteinander. Denn so

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