DrachenHatz
Dildo-Konzepteur oder Gummipuppen-Tester, sondern als Buchhalter. Ein Konzern mit Millionenumsätzen braucht halt auch solche Leute. Irgendjemand muss die Knete ja verwalten. Aber schade war es doch. Ich hätte so einen Sex-Artikel-Tüftler schon gern einmal kennengelernt. Aber wahrscheinlich verlor ein derartiger Job nach der fünften Gummipuppe auch seinen Reiz und reduzierte sich auf die mathematische Frage nach der Brustgröße und dem optimalen Vaginadurchmesser für den stark gebauten Mann.
Arthur war allerdings schon seit neun Jahren »freigesetzt«, wie es heute so hübsch heißt, wenn man arbeitslos meint. Seitdem bastelte er in seiner Werkstatt vor sich hin, sah viel fern und aß wahrscheinlich immer noch leidenschaftlich gern Fast Food, wie Greta vermutete. Es schüttelte sie, als sie daran dachte. Mich auch.
Die beiden hatten ein geordnetes, planbares, sagen wir es ehrlich und gerade heraus: langweiliges Leben geführt, weshalb sie ihn auch mit dem Jungen verlassen hatte. Seit einem halben Jahr habe sie wieder sporadisch Kontakt zu ihm. Er habe angerufen, als er das mit Hauke erfahren habe. Sogar seine Hilfe habe er ihr angeboten. Doch sie habe abgelehnt, denn was könne er schon groß tun?
»War er eigentlich sauer wegen der Scheidung?«, versuchte ich es auf der anderen Schiene, als wir unter der Eisenbahnbrücke bei Rendsburg durchrauschten.
»Arthur?«, meinte Greta amüsiert. »Am Anfang schon, ja. Weil ich seine geheiligte Ordnung durcheinandergebracht habe, glaube ich. Das hat ihn am meisten gefuchst. Doch das ist mehr als sechs Jahre her. Arthur Bebensee ist zwar nicht der Schnellste, aber ich glaube nicht, dass er sich jetzt an mir zu rächen versucht. Nein, das ist absurd.«
Das fand ich eigentlich auch. Ein behäbiger, vor langer Zeit geschiedener und vor noch längerer Zeit entlassener Buchhalter mit einer Vorliebe für Fernsehen und Fast Food passte wirklich nicht ins Täterprofil.
»Schreibst du eigentlich gerade an etwas?«, überraschte Greta mich plötzlich. »Thomas hat mir von den Liebesgeschichten erzählt. Ich finde das ungeheuer spannend.«
Oh wei. Ich nicht. Trotzdem gab ich brav Auskunft und berichtete ihr von der Quälerei mit meinem historischen Exposé, das einfach nicht fertig werden wollte, weil die dämliche Vivian mit der österreichisch-ungarischen K.u.K.-Monarchie ebenso wenig am Hut hatte wie mit dem französischen Sonnenkönig.
»Obama«, sagte Greta daraufhin kurz und knapp.
»Wer?«, fragte ich verdutzt.
Sie lachte. »Weißt du, ich wollte auch immer schreiben. Das war mein sehnlichster Wunsch, als ich jung war. Aber ständig kam etwas dazwischen: meine Lehre als Medizinisch-Technische Assistentin, dann die Heirat mit Arthur, Hauke, die Scheidung, die zweite Ausbildung zur Sekretärin, Frieder, mein zweiter Mann, Mutti … ach Gott, aber ich will nicht klagen. Doch ich versichere dir, ich hätte die Fantasie dazu gehabt.«
Merkwürdig, ich glaubte ihr tatsächlich, während mich sonst immer Zweifel befallen, sobald jemand etwas Derartiges äußert. Wenn es hart auf hart und das heißt zum Schreiben kommt, verflüchtigt sich nämlich meist der Ideenreichtum wie Nebelschwaden unter hochsommerlichem Sonneneinfluss.
»Aber ich will dich nicht mit meinen verpassten Chancen langweilen, Hanna. Denk einmal über Obama nach, der liegt doch voll im Trend.«
»Ja und?«, entfuhr es mir verständnislos. Vielleicht war ich ja heute etwas schwer von Begriff, aber ich verstand wirklich nicht, was Greta meinte. Die lachte.
»Pass auf. Du nimmst den amerikanischen Bürgerkrieg und damit die Sklavenfrage als Folie für deine Story. Und vor dem Hintergrund lässt du deine Liebesgeschichte spielen. Mal sehen, dann kann deine Heldin sich dafür stark machen, dass Schwarze frei werden und lesen und schreiben lernen dürfen, während ihr bornierter Zukünftiger dies erst kapieren muss. Und so ganz nebenbei verlieben sie sich ineinander. Wie findest du das?«
»Perfekt«, gab ich ehrlich zu. Das war doch tatsächlich etwas anderes als Dreispitz, Degen und Dekolleté, darüber sollte sich die gute Vivian einmal ihr vernageltes Köpfchen zerbrechen. »Du hast wirklich Fantasie«, lobte ich Greta. »Schade, dass du nichts draus machen konntest.«
»Schicksal. So ist das Leben eben. Für manche ist es härter.«
»Wie für dich.«
Die Frau hatte es offenbar in keinem Bereich leicht gehabt oder auch nur gut getroffen. Thomas hatte damals beim Brunch die Wahrheit erkannt: Die
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