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DrachenHatz

DrachenHatz

Titel: DrachenHatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ute Haese
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ich. Jedenfalls meistens. Der Arme musste sich bei diesem Brunch vorkommen wie in einer Fleischbeschau. Oder wie in einer dieser drittklassigen Hollywoodkomödien, wo der Schwiegersohn in spe erstmals auf die argwöhnischen zukünftigen Schwiegereltern trifft. Umflattert werden die Kombattanten von einer hochnervösen Tochter und Braut, und so muss natürlich alles in die Hose gehen, was nur in die Hose gehen kann: vom Lob für die äußerst raffinierte Limetten-Weinschaum-Variation – natürlich das Einzige, was vom Discounter stammt – bis hin zur unangebrachten Hymne auf Tante Gwendolyns quietschsüßen Wein, den niemand aus der Familie so richtig mag, bis auf das arme Würstchen von künftigem Schwiegersohn. Und der trinkt eigentlich sowieso lieber Bier.
    Nur dass ich Thomas nicht zu heiraten beabsichtigte und weder Harry noch Marga auch nur den Hauch eines Rechts besaßen, sich zu benehmen, als müsste der arme Kerl bei ihnen auf Knien um meine Hand anhalten. Die gehörte nämlich ganz allein mir und sonst niemandem!
    »Wir gehen ein Stück spazieren!«, verkündete ich und sprang auf, ohne eine Reaktion der anderen abzuwarten. Der Wind hatte zwar mittlerweile ein wenig aufgefrischt, aber er wehte von Westen heran und kam damit glücklicherweise nicht aus Richtung Murmansk und Eismeer. Denn so einer färbt unweigerlich die Wangen rot und lässt die Nasenspitze vor Kälte leuchten wie eine Boje bei Sonnenuntergang.
    »Gute Idee«, stimmte Thomas sofort zu. Er wirkte erleichtert und warf mir einen schuldbewussten Blick aus seinen braunen Augen zu. Ich bemühte mich um ein ermutigendes Lächeln. Mir stand die Feuerprobe bei seinen Freunden noch bevor.
    »Na ja«, murmelte Harry gut hörbar, wobei er sich bedächtig aus seinem Stuhl quälte, »umbringen wird es uns schon nicht.«
    »Obwohl man bekanntlich niemals nie sagen soll«, flötete Marga, während sie sich ebenfalls erhob und mir dabei gleichzeitig schelmisch – du lieber Himmel, Heinz Erhard ließ grüßen! – zuzwinkerte. Ich hasse derartige Allgemeinplätze, weil meine Mutter sie bei jeder passenden wie unpassenden Gelegenheit absondert. Und Marga weiß das ganz genau.
    Demonstrativ hakte ich mich bei Thomas unter, während wir den kurzen Weg über das Grundstück zu meiner direkt am Passader See gelegenen Mini-Villa hinunterschlenderten. Die Gemeinschaftsküche, in der aus Platzgründen der Brunch stattfand, lag nämlich im sogenannten Haupthaus, einem ehemaligen Zweifamiliendomizil, das in vier separate Klein- bis Kleinstwohnungen aufgeteilt worden war. Hier residierte meine Freundin Marga als WG-Älteste der zurzeit allerdings insgesamt lediglich zweiköpfigen Belegschaft. Davon aber später.
    Ein einsamer Schwan flog über unseren Köpfen dahin, und der singende Ton, den seine gleichmäßig schwingenden Flügel verursachten, berührte meine Seele. Ich drückte Thomas’ Arm ein wenig fester. Er lachte leise. Es klang glücklich, und mir ging augenblicklich das Herz auf. Was juckten mich überhaupt Harry, Marga und Konsorten? Wahrscheinlich hätte auch meine Mutter so einiges an Thomas auszusetzen. Na und? Sollten sie doch, alle miteinander!
    Ich hatte Thomas bei meinem letzten Fall kennengelernt. Dr. Thomas Breitschedt, sechsundvierzigeinhalb, seit fünf Jahren geschieden, eine dreizehnjährige Tochter, die bei der Ex lebte, ihren Vater jedoch häufig besuchte, sowie mit den erotischsten Männerlippen gesegnet, die ich kannte. Als wir das erste Mal miteinander zu tun hatten, gab ich mich aus ermittlungstechnischen Gründen als tierisch erfolgreiche Finanztante mit viel Geld und wenig Zeit aus. Doch als alles vorbei war und er tatsächlich wieder anrief, schenkte ich ihm sofort reinen Wein ein: dass ich nämlich unter dem klangvollen Pseudonym Vivian LaRoche Liebesgeschichten, das heißt sogenannte abgeschlossene Romane, für die Yellow Press fabrizierte. Das sind jene Zeitschriften, in denen man offiziell lediglich beim Zahnarzt oder beim Friseur blättert, um das Neueste über Kronprinzessin Victoria, Schweden, sowie ihren Fitnessfuzzi, auch Schweden, zu erfahren. Gähn!
    Ich gestatte aber nur wenigen Menschen, meine Liebesgeschichten ein wenig abfällig »Schmalzheimer« oder »Sülzletten«< zu nennen, wie ich es selbst tue. Genau genommen steht dies nur mir zu, und man hält sich tunlichst daran, wenn man es sich nicht mit mir verderben will. Derart ins Detail ging ich bei diesem ersten Gespräch mit Thomas natürlich noch nicht, das kam

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