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DrachenHatz

DrachenHatz

Titel: DrachenHatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ute Haese
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begucken. Erst einmal wollte ich einfach nur die Weltkugel bestaunen.
    Tja, was soll ich sagen? Die Welt des 17. Jahrhunderts ähnelte unserer doch bereits erheblich. Asien gab es, Afrika existierte bereits in der Vorstellung der Europäer, und auch die beiden Amerikas waren schon bekannt. Ich schaute genauer hin. Räuber mit Zipfelhüten, die eher an die Karpaten erinnerten, schien man dort zu vermuten und halb nackte Wilde in Massen, die sich gar nicht gastfreundlich benahmen.
    »Haben Sie die Seeungeheuer schon gesehen?« Die Frau, die mich ansprach, deutete begeistert auf zwei grüne Wesen, deren Köpfe mit bösartig spitzen Zähnen aus dem Wasser lugten.
    Ich betrachtete meine Nachbarin von der Seite. Sie hätte Gretas Schwester sein können: genau die gleichen langen grauen Haare, genau das gleiche oval geschnittene Gesicht, genau die gleiche Ausstrahlung – als ob das Leben es nicht allzu gut mit ihr gemeint hatte. Sie verströmte diesen ältlichen Fräulein-Charme, der die Leute automatisch auf Abstand gehen lässt. Wie Greta, der permanent etwas dazwischengekommen war, tat sie mir spontan leid.
    »Schauen Sie«, sagte ich, um mich zu revanchieren, »im Pazifik leben offenbar noch ganz andere Wesen.«
    Sie kicherte, während wir einträchtig Poseidon mit Dreizack und Pferdegespann sowie eine illustre Reihe von grünschwänzigen Mitbadenden betrachteten. Dann lud sie mich zum Kaffee ein. Ich rang mit mir, schließlich hatte ich den Sternenhimmel noch nicht gesehen. Aber, wie gesagt, sie erinnerte mich so verflixt an Greta. Ich willigte ein.
    Und möglicherweise tat eine Unterhaltung mit einer Fremden über völlig belanglose Dinge ja auch mir gut. Auf jeden Fall verschaffte sie Thomas, Sarah und Dänemark noch eine Gnadenfrist. Denn mit der Sache war ich noch lange nicht durch, mir war es bisher lediglich gelungen, meinen Ärger zu verdrängen. Aber wüten konnte ich schließlich auch noch heute Abend. Oder morgen früh.
    Ach Mist. Weshalb setzten die Leute auch Kinder in die Welt und ließen sich anschließend scheiden!

VIII
     
    »Die Bauchige Windelschnecke?«, rutschte es mir erstickt heraus.
    »Ganz genau, Schätzelchen«, erwiderte Marga fröhlich, während wir die Laboer Uferpromenade entlangschlenderten und die Oslofähre beobachteten, die sich majestätisch aus der Förde schob. Eigentlich war das Meer samt seiner Flora und Fauna ihr großes Anliegen. Dabei gehörte sie keineswegs zur Kulleraugen-hach-wie-niedlich-Robbenbaby-Fraktion, sondern ihr Herz schlug genauso, wenn nicht sogar stärker für den vom menschlichen Mitleid arg benachteiligten Strudelwurm oder Pleurobrachia pileus O. Müller. Der oder die hieß wirklich so. O Punkt Müller stimmt. Und es handelt sich bei dem Vieh um eine Kamm- oder Rippenqualle, die man im Deutschen »Seestachelbeere« nennt. Nie gehört, bis Marga mich mit leuchtenden Augen und Feuer in der Stimme aufklärte, wobei ich gestehen muss, dass mir der Bauplan des Tieres ebenso wie sein Verbreitungsgebiet schon wieder entfallen ist. Nur O. Müller behielt ich. Oggobert? Oder Odwin vielleicht? Nee, dahinter verbarg sich bestimmt lediglich ein stinknormaler Otto. »Sie war 2003 das erste Weichtier des Jahres«, belehrte Marga mich.
    »Wow! Das hat sie sicher ziemlich stolz gemacht. Also, ich wäre ja ganz aus dem Häuschen, wenn ich denn eines hätte und mir eine derartige Ehrung widerfahren würde.«
    Marga warf mir einen scheelen Blick zu. »Wenn du das nur komisch findest, erzähle ich dir nichts mehr.«
    »Aber woher denn?«, beruhigte ich sie. »Ich finde den Namen lediglich entzückend. Und den Titel auch. So ähnlich wie Glühlampe des Jahres oder Hobel des Dezenniums . Dagegen verblasst so ein popeliger Doktortitel total.«
    Jetzt grinste sie. »Davon kannst du mehr haben. Ein Jahr später kürte das Kuratorium nämlich die Gemeine Kahnschnecke und 2006 die Gemeine Flussmuschel.«
    »Was schon mal zwei Gemeinheiten sind«, murmelte ich, meine ungeteilte Aufmerksamkeit unter Beweis stellend.
    Marga ließ sich erwartungsgemäß nicht beirren. »2007 errang die Maskenschnecke den Titel, ein Jahr später das Mäuseöhrchen und 2009 Husmanns Brunnenschnecke.«
    »Was denn, ganz ohne gemein?«, lästerte ich.
    »Ganz ohne«, bestätigte Marga. »Weißt du, ich bin letzte Woche Mitglied in der Deutschen Malakozoologischen Gesellschaft geworden –«
    »Das sind deine neuen Schneckenfreunde, nehme ich an?«
    »– weil ich es einfach nicht richtig finde, dass

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