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DrachenHatz

DrachenHatz

Titel: DrachenHatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ute Haese
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der Geburt eines Kindes jegliche unmütterliche Regung automatisch im Kreißsaal lässt.
    »Wirklich, ganz im Ernst jetzt«, wiederholte Gallwitz ungemein zufrieden, »da sollten Sie einmal bohren. Die Frau ist böse, glauben Sie mir, auch wenn es auf den ersten Blick keinesfalls so scheint. Und solche Leute haben etwas davon, andere zu quälen, das weiß man doch.«
    Ach ja? Sprach er da etwa von eigenen Erkenntnissen und Genüssen? Der Mann holte sich bestimmt einen runter, wenn Greta am anderen Ende der Leitung vor Angst und Entsetzen in Ohnmacht fiel. Doch ich unterdrückte meinen Widerwillen und bemühte mich um Sachlichkeit. »Etwas Konkretes können Sie mir nicht sagen? Denken Sie an einen bestimmten Vorfall?«
    »Konkretes?«, echote er. »Nee, natürlich nicht. Es ist mehr so ein Eindruck, wissen Sie. Aber ich kann Ihnen versichern, der ist richtig. In meiner Branche hängen Leib, Leben und Geschäft von der exakten Einschätzung der Kundschaft ab. Mit Charakteren kenne ich mich aus.« Er kniff die Augen zusammen und taxierte mich. »Sie sind zum Beispiel nicht im Bankensektor tätig, sondern höchstwahrscheinlich irgendetwas Freies.«
    »Öhem«, nuschelte ich.
    Er grinste triumphierend. »Sehen Sie, getroffen, stimmt’s?« Er lachte leise. »Und Sie scheffeln das Geld nicht gerade, wenn Sie mir die Freiheit erlauben.«
    Tat ich. Er hatte ja recht. Gleichzeitig erhob ich mich. Das war zwar alles ganz interessant, brachte mich aber mit dem Fall nicht weiter. Und die Information, auf die es mir ankam, besaß ich: Gretas Ex Nummer zwei war eindeutig pervers.
    »Das sehe ich an Ihrer Kleidung«, erklärte Frieder ungefragt, ohne sich durch mein Aufstehen aus der Ruhe bringen zu lassen. »Und an Ihrem Auftreten. Das ist nicht raumfüllend, wenn Sie ver–«
    »Doch, ja«, gab ich zu und spielte kurz mit dem Gedanken, daran etwas zu ändern. Vielleicht in einem dieser flächendeckend angebotenen Seminare, bei denen man unentwegt Decken und warme Socken mitbringen muss, um anschließend selbstbewusst wie Superwoman den Saal zu verlassen?
    »Außerdem sind Sie Gretas Freundin«, fuhr Gallwitz mit einem feinen Lächeln fort, das erst auf den zweiten Blick seine Niederträchtigkeit enthüllte, »und die kennt keine Managerinnen, Models oder so etwas in der Richtung. Setzen Sie sich doch wieder. Es fängt an, mir richtig Spaß zu machen.«
    Aber mir nicht. Ich blieb stehen, doch er machte keinerlei Anstalten, sich nun ebenfalls höflich zu erheben, um mich zu verabschieden und zum Ausgang zu geleiten. Stattdessen meinte er plötzlich versonnen: »Möglicherweise hätten Greta und ich noch eine Chance gehabt, wenn das Kind bei der Mandel-OP tatsächlich hopsgegangen wäre.«
    Ich reagierte nicht darauf, sondern wandte mich entschlossen zum Gehen. Der Mann hatte ja einen Knall, was Hauke betraf, und ich verspürte keinerlei Lust, mit ihm das »Was-wäre-wenn-Spiel« zu inszenieren. Er dafür offensichtlich umso mehr.
    »Die verdammten Dinger taten ihm weh«, fuhr er fort, meine Absetzbewegung glatt ignorierend, »und ehe Greta überhaupt einen Termin bekam, dauerte es natürlich ein bisschen. Der Junge hat gejammert, als würde er gleichzeitig ans Kreuz genagelt, gevierteilt und mit Pech und Schwefel übergossen werden. Tagelang, nächtelang, obwohl sie ihm reichlich Schmerzmittel gab. Das half nicht viel, das Weichei heulte weiter. Also gab sie ihm noch etwas.«
    In diesem Moment schlug die Türglocke dezent an, und ein Yuppiepärchen erschien im Showroom, beide der Typ, der seine hippe Sonnenbrille auch in einer unausgeleuchteten Grotte nicht ablegt, selbst wenn er Gefahr läuft, sich im Dämmerlicht die Gräten zu brechen, also eindeutig potente Kundschaft. Frieder blieb jedoch seelenruhig sitzen und erwiderte meinen erstaunten Blick mit einem weltmännischen Lächeln. »Die brauchen ein bisschen Zeit. Wir haben also keine Eile. Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, bei Haukes Gewimmer über die Mandeln. Mann, war das furchtbar. Tag und Nacht, und Greta umflatterte ihn wie eine Henne ihr Kü–«
    »Und?«, brachte ich ihn energisch auf den Punkt zurück.
    »Was und? Ach so, ja, diese Mengen von Schmerzmitteln, hauptsächlich Paracetamol, haben dem Knaben einen leichten Leberschaden eingebracht. Inzwischen ist dieses Zeug deshalb in größeren Mengen ja auch nur noch auf Rezept zu kriegen. Und hinzu kam damals: Acetylsalicylsäure«, er sprach das Wort sehr deutlich aus. Wahrscheinlich hatte er Wochen gebraucht, um

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