DrachenHatz
Tanker wie Frachter verließen, aufgereiht wie an einer Schnur und in gebührendem Abstand, die enge Röhre, um sich in den Weiten der Ostsee zu tummeln. Ich mag Laboe, wenn es nicht so voll ist. Gerade in der Vorsaison besitzt der Ort einen beschaulichen Charme. Wie alles hier in der Gegend. Es sei denn, es ist Muttertag. Dann schieben sich nach dem Mittagessen Unmengen von Menschen in typischer Dreierkonstellation über Promenade, Deich und Straßen: Er geht stumm, die Hände so tief in den Hosentaschen vergraben, dass es wie vierknieig wirkt, und mit einem Gesichtsausdruck wie ein störrischer Fünfzehnjähriger drei Schritte vor Gattin und Mutter beziehungsweise Schwiegermutter, während sie die ältere Frau untergehakt hat und mühsam Konversation mit ihr betreibt.
»Marga«, näherte ich mich auf Höhe der alten Lesehalle vorsichtig dem zweiten Thema, das mir auf der Seele brannte. Ich hatte keine Ahnung, wie sie reagieren würde. Doch, eigentlich schon, aber ich wollte ihr wirklich und ernsthaft die Wahl lassen. Außerdem war sie mir unverdächtiger erschienen als Harry, der sich todsicher gleich wieder sonst etwas einbildete, wenn ich ihn um Unterstützung bat. »Ich bräuchte bei einer Ermittlung deine Hilfe.«
»Klar. Mach ich. Es geht um Greta, nicht?«
»Ja. Auch. Aber es ist illegal«, warnte ich. »Wir können einen Höllenärger bekommen, wenn sie uns erwischen.«
Meine Worte bewirkten das exakte Gegenteil von dem, was ich beabsichtigt hatte: Auf ihrem Gesicht machte sich prompt ein erwartungsfroher Ausdruck breit. »Um was geht es, Schätzelchen? Nun sag schon!«, drängte sie. »Aber umbringen werd ich niemanden und beklauen auch nicht, hörst du! Jedenfalls keinen, der es nicht verdient hätte«, fügte sie hinzu, ganz tugendhafte Alt-68erin, die sie war.
»Sollst du beides nicht«, beruhigte ich sie und warf warnungsmäßig gesehen das Handtuch, indem ich ihr ausführlich von Rolf Verdoehl sowie meinen beiden Verdächten gegen ihn berichtete. Dann erzählte ich ihr von der Wanze, die man bislang allerdings vergessen hatte abzuschicken. Die aber per Express heute, aller-, allerspätestens jedoch morgen in meiner Villa eintrudeln müsste, wie mir ein Jüngling des Spionagegeschäfts quasi unter Eid versichert hatte.
Marga war begeistert. Mit einer Abhörwanze hatte sie noch nie zu tun gehabt. Ich hätte es mir denken können. Sie liebte solche Sachen, und ich musste sie eher bremsen.
»Und was soll ich nun genau machen?«, fragte sie forsch, als ich zum Ende gekommen war.
»Oh, nicht viel. Lediglich Rolf und Bettina ablenken oder aufpassen, dass sie wirklich weg sind, während ich in ihre Wohnung eindringe, um das Ding zu platzieren.«
Sie warf mir einen langen Blick zu. »Zwei Fragen, Schätzelchen. Ich verstehe dich doch richtig, ich halte Wache und darf nur im Notfall eingreifen?«
»So ist es«, nickte ich. Scheiben zerdeppern, Türen aufhebeln oder über Dachfirste klettern machte ich selbst. Und allein. Da war ich eigen.
»Aha. Na gut.« Sie schien enttäuscht zu sein, denn es dauerte etliche Sekunden, bis sie sich angelegentlich erkundigte, ob ich das überhaupt könne. Denn eine Wanze so zu installieren, dass man am anderen Ende auch etwas höre, sei doch vielleicht gar nicht ganz einfach. Und dann wollte sie wissen, ob ich so etwas schon einmal gemacht hätte.
»Nö. Aber da wird doch wohl eine Bedienungsanleitung dabei sein«, erwiderte ich eine Spur zu laut und zu fest. Der Gedanke, dass der Einbau kompliziert werden könnte, war mir noch gar nicht gekommen, um ehrlich zu sein.
»Wie bei einem Wecker, meinst du?«, fragte Marga zweifelnd.
»Na ja, so ähnlich«, gab ich zögernd zu. Um Himmels willen, technisches Gerät ist schließlich technisches Gerät. Mit einem normal begabten Verstand musste das doch zu machen sein. Blieb lediglich zu hoffen, dass das Teil kein Import aus Taiwan war, denn dann scheiterte der ganze schöne Plan möglicherweise bereits an der Übersetzung der Bedienungsanleitung.
»Wir gucken uns das auf jeden Fall vorher ganz genau an, und du montierst sie zur Probe erst einmal bei mir«, schlug Marga, die meinen Gesichtsausdruck genau zu deuten wusste, vor. »Und dann machen wir eine Horchprobe.«
Ich nickte erleichtert. Das war wirklich eine ausgezeichnete Idee. Und erst wenn jeder Handgriff saß, würden wir zum Ernstfall übergehen.
Das versprochene Abhörgerät lag jedoch nicht vor meiner Tür, als wir zu Hause ankamen, und Marga verabschiedete
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