DrachenHatz
sich hastig, als ich anfing, mit den Zähnen zu knirschen. Ich hielt sie nicht, sondern stapfte, zum Äußersten entschlossen, zum Telefon. Die Wanze sei unterwegs, schwor der Milchbart am anderen Ende der Leitung Stein und Bein. Er selbst habe den Vorgang gestern in die Wege geleitet. Ich spuckte das Wort »Post« in die Muschel, und da klickte es bei ihm. Aber nicht doch, belehrte er mich, sein Unternehmen arbeite mit einem privaten Versender zusammen, also sei noch lange nicht Hopfen und Malz verloren. Seine wiederholten Beteuerungen führten dazu, dass sich meine Stimmung augenblicklich hob. So sehr, dass ich Vivian aus ihrem Dornröschenschlaf weckte, damit die sich um Mr Butler und Ms O’Hara kümmerte. Denn Rhett-Richard reifte irgendwie ums Verrecken nicht, sondern blieb auch in den letzten Folgen einfach das grüne Bürschchen, das zwar nach und nach etwas anderes daherplapperte als anfangs, aber ohne die dazugehörige innere Überzeugung. Doch dann, vielleicht lag es am frühnachmittäglichen Vorbeimarsch am Laboer U-Boot aus dem Zweiten Weltkrieg, diesem aufgebockten, stählernen Ungetüm, das mir jedes Mal eine Gänsehaut verursachte, wenn ich es auch nur von Weitem sah, kam Vivian plötzlich der Gedanke, Rhett-Richard nicht als strahlenden Helden aus dem Bürgerkrieg zurückkehren zu lassen, sondern als maroden Krieger. Was sowieso viel wahrscheinlicher war. Ohne Unterschenkel zum Beispiel, dafür mit mehr Hirn und etwas weniger Patriotismus im Blut. Und Scarlett-Camilla liebt ihn natürlich trotzdem auf das Heftigste, denn ihr ist ein versehrter einfühlsamer Knilch allemal lieber als so ein bodygestählter Intelligenzallergiker.
Doch war das in der Redaktion durchsetzbar? Ja, beschloss Hanna, Krieg ist schließlich grausam, roh und bestialisch, es kam lediglich darauf an, wie Vivian das Ganze verpackte.
Und das tat sie gut. Rhett-Richard zweifelte jetzt viel ernsthafter an allem Dahergebrachten, hielt Schlachten nicht mehr für ein einziges Große-Jungen-Spiel und war tatsächlich in der Lage, eigenständig nachzudenken. Er zweifelte am Krieg generell, er zweifelte an Sinn und Moral der Sklaverei, er zweifelte an sich, der arme Kerl, und beschloss heroisch, die zierliche Scarlett-Camilla nicht mit all der Zweifelei und letzten Endes mit sich zu belasten. Da war er allerdings an die Falsche geraten, denn Ms O’Hara –
Es klingelte Sturm. Ich schoss wie eine Rakete aus meinem Stuhl und hastete zur Tür.
»Frau Hemlokk? Päckchen für Sie.«
Ich quittierte und nahm das kleine Ding so vorsichtig in Empfang, als handelte es sich um die Kronjuwelen. Dann schaltete ich den PC ab und rief Wiebke an, um ihr mit blutendem Herzen mitzuteilen, dass ich heute Abend leider nicht an der »Feuer und Flamme«-Sitzung teilnehmen könne, obwohl wir eine ausgesprochene kulinarische Köstlichkeit geplant hatten: Lamm aus der Moghlai-Küche und hinterher die ersten Erdbeeren des Jahres frisch aus Werners Gewächshaus. Sie rochen bestimmt wieder wunderbar und würden noch besser schmecken, sodass unsere Gruppe bei ihrem abendlichen Treffen zwar das Hauptgericht gewohnt aromatisch zubereiten, dem Gaumen dann jedoch quasi als Entspannungsübung und ganz und gar unindisch Erdbeeren mit Sahne gönnen wollte.
Wiebke, alteingesessene Bokauerin, deren Familie seit grauer Vorzeit an Ort und Stelle die Krume brach, rutschte als Erstes »Da wird Axel aber traurig sein« heraus, bevor sie allerlei mitfühlende Laute von sich gab. Wahrscheinlich vermutete sie, dass mindestens meine Mutter gestorben war, wenn nicht sogar mein Vater. Sonst hätte ich nicht die Kochgruppe geschwänzt.
Sodann benachrichtigte ich Marga, die alles stehen und liegen ließ, um auf der Stelle herbeizueilen und das Wunderding zu bestaunen. Während sie eilte, kochte ich uns einen Earl Grey, der fast fertig war, als ihre prägnante Gestalt im Türrahmen erschien und das Innere meiner Villa verdunkelte.
»Wo ist sie denn?«, fragte sie ratlos, während ihre Blicke pingponggleich durch mein Wohnzimmer schossen. Ich gebe zu, ich hatte meinen Spaß daran. Denn ich hatte nicht warten können und die Wanze bereits ausgepackt. Und nun lag sie mitten auf dem ansonsten leeren Tisch, gut sichtbar also, allerdings so klein wie ein Streichholz. Ich deutete wortlos darauf.
Misstrauisch näherte sich Marga dem Horchstängel und beäugte ihn argwöhnisch, während ich Kanne und Tassen direkt neben ihm postierte.
»Stell dir vor, im Umkreis von zehn Metern
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