DrachenHatz
von den realen Aktivitäten ihres Gatten gar keine Ahnung hatte, er also beide Sachen allein durchzog? Marga hielt das für überaus unwahrscheinlich. Der Mann sei ein Schnacker, befand sie am zweiten Abend, der müsse mit dem, was er mache, auf der Stelle prahlen, sonst platze er.
Am dritten Nachmittag machten sie eine Liste. Für den Einkauf. Rolf sollte losziehen, und Bettina, die er mitnehmen und bei den Landfrauen absetzen würde, mahnte ihren Liebsten mit nunmehr fast schon wieder glockenheller Stimme: »Denk aber an alles, Schatz, hörst du! Sonst musst du zweimal fahren.«
»Worauf du einen lassen kannst«, entgegnete ihr charmanter Ehemann.
Tja, drei Tage können endlos lang werden, wenn der Reiz des Neuen irgendwann verblasst und man die Zeit auch noch in Stunden umrechnet. Dann wird’s noch länger. Möglicherweise lag es daran, dass Marga – wir lauschten gerade gebannt der Szene aus ›Pretty Woman‹, in der Julia Roberts in der Badewanne liegt und singt – plötzlich meinte: »Schätzelchen, es ist nur so eine Idee von mir, aber könnte Greta sich das mit den Anrufen nicht alles nur ausgedacht haben? Weil sie mit Haukes Tod einfach nicht fertig wird? Ich meine, der war ja auch furchtbar, und ich denke, dass man so etwas wirklich nicht ohne seelische Schäden übersteht.«
Clarence, der schielende Löwe aus ›Daktari‹ , stieß ein markerschütterndes Brüllen aus.
»Nee«, erwiderte ich und lauschte gespannt, wie die Synchronstimme von Marshall Thompson irgendeiner bestimmt schmucken Wildhüterin etwas Bahnbrechendes über Elefantenohren erzählte.
»Vielleicht will sie sich selbst bestrafen«, fuhr Marga unbeirrt fort, »da gibt es doch die unvorstellbarsten Reaktionen. Auf so ein Trauma, meine ich. Hanna, hörst du mir überhaupt zu?«
Missmutig riss ich mich vom schielenden Löwen los. Dauer-Fernsehgucken macht eindeutig süchtig und blöd. Oder blöd und süchtig? Es schien mir ein klassisches Henne-und-Ei-Problem zu sein. Egal. »Ich habe doch selbst mit dem Anrufer gesprochen, Marga. Und der war echt, das kannst du mir glauben.«
Für eine Weile hatte ich sie außer Gefecht gesetzt, doch dann begann sie erneut. »Aber eine ausgeprägte Fantasie hat Greta schon, nicht? Deine aktuelle Liebesgeschichte mit der Sklaverei«, erinnerte sie mich, als sie mein ratloses Gesicht sah. »Der Mehrteiler!«
»Das ist doch etwas völlig anderes!«
»Na, ich weiß nicht«, meinte sie zweifelnd.
Was sollte das denn jetzt heißen? Glaubte sie etwa, dass jeder, der Schmalzheimer fabrizierte, nicht von dieser Welt war oder Realität und Fiktion nicht auseinanderhalten konnte?
Ich wollte gerade zu einer scharfen Erwiderung ansetzen, als mein Telefon klingelte. Ich gab Marga ein Zeichen, den Empfänger wegzubringen, damit mir Dr. Marsh Tracy nicht dazwischensiebte. Sie gehorchte hastig, und ich nahm den Hörer ab.
»Hem–«
»Er hat eine Ratte vor meine Tür gelegt. Sie ist tot und ganz blutig!«, schluchzte Greta hysterisch in mein Ohr. »Komm schnell, Hanna, bitte, komm schnell!«
Der Kadaver stank ekelerregend und hatte die ganze Fußmatte mit seinem Blut versaut. Ich beguckte mir das ausgewachsene Tier von allen Seiten, doch außer, dass jemand es wahrscheinlich mit einem Spaten erschlagen hatte, konnte ich nichts feststellen. Der Absender hatte keinen Zettel um einen Fuß geknotet, auf dem Greta erneut bedroht wurde, oder ein Briefchen danebengelegt, in dem er seine Absichten erläuterte. Gallwitz? Dem die Telefoniererei nicht mehr genügte? Der sich in seiner Autobude lustvoll wieder und wieder ihre panische Reaktion ausmalte und wahrscheinlich auch noch Gefallen am Töten des Tieres gefunden hatte? Oder sah das Ganze mehr nach Verdoehl aus, der die Sache mal eben nebenbei auf seiner nachmittäglichen Einkaufsfahrt erledigt hatte?
Jeder Hinweis fehlte. Es schien fast, als ob der Täter ganz selbstverständlich davon ausging, dass Greta wusste, was Sache war. Aber tat sie das? Verheimlichte sie mir vielleicht etwas, und hatte Marga nicht ganz Unrecht mit ihrer Vermutung? Langsam beschlichen mich tatsächlich leise Zweifel.
Nachdenklich holte ich eine Schaufel aus dem hinteren Schuppen und begrub die Ratte in der Biotonne, während Marga sich um die völlig aufgelöste Greta kümmerte. Dann rief ich bei der Polizei an, und der Beamte versprach, einen Kollegen vorbeizuschicken, sobald es passte. Na denn.
Marga kochte derweil Kaffee. Greta weinte still vor sich hin und klapperte dabei mit
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