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DrachenHatz

DrachenHatz

Titel: DrachenHatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ute Haese
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D&D-Magnaten konnten mich selbst dann nicht hören, wenn ich hier aus voller Lunge brüllen und dabei auch noch eine Trommel schlagen würde. Die Abhörverbindung funktionierte schließlich nur in einer Richtung.
    »Ump?«, näselte Bettina, stellte den Ton des Fernsehers jedoch nicht ein Jota leiser. »Wieh isses gelaufn?«
    »Gar nicht«, knurrte Rolf gegen eine schrille Frauenstimme an, die ein flammendes Plädoyer für einen minderjährigen Dieb aus zerrüttetem Hause hielt. »Die Alte ist nicht gekommen. Vielleicht hat sie’s ja vergessen. Oder sie hat der Schlag getroffen. Ich brauche jetzt jedenfalls erst mal ein Bier.«
    Er schlurfte davon, die Küchentür klapperte, die Kühlschranktür quietschte, es machte plopp, als er den Bügelverschluss der Flasche öffnete. Er trank, schlurfte zurück, ließ sich in einen Sessel fallen, nahm einen weiteren Zug – und schwieg.
    Marga und ich sahen uns ratlos an.
    »Was hat er denn?«, flüsterte sie schließlich. »Weshalb sagt er nichts?«
    Ganz einfach, weil er in diesem Moment hallend rülpste. »Tschuldigung«, wandte Rolf sich wohlerzogen an seine Frau, nachdem das Echo verklungen war. »Na ja, vielleicht ist die Alte wirklich krank geworden. Ich weiß nicht einmal ihren Namen. Und anrufen hätte sie ja jedenfalls können. Hat sie aber nicht, oder?«
    »Nee.«
    »Eine Riesensauerei ist das. Rentner! Halten einen hart schuftenden Mann von der Arbeit ab.«
    Im Hintergrund sang Doris Day mit schmelzender Stimme: »Que sera, sera, whatever will be, will be, the future’s not ours to see, que sera, sera …«
    »Nun reg dich doch nicht so auf, Schatz«, hustete Bettina. Ansonsten klang sie jetzt allerdings deutlich weniger nasal. Schwester Hannas Kamillentherapie hatte offenbar zumindest kurzfristig angeschlagen. »Sie wird sich schon wieder melden. Ganz bestimmt. Du kannst doch gut mit alten Damen. Die sind meistens ganz angetan von dir.«
    Rolf hörte seiner Gattin offenbar gar nicht zu. »Und dabei wäre das mit der Fabrikhalle wirklich ideal gewesen«, grummelte er in seine Flasche. »Groß, nicht allzu teuer, hier in der Gegend, wo wir unseren Firmensitz haben. Von da aus hätten wir locker bereits im ersten Jahr bis über die dänische Grenze expandieren können.«
    Ein Frosch quakte, ein dräuendes Gitarrensolo ertönte, und eine tiefe Männerstimme befahl genüsslich: »Knüpft ihn endlich auf, Jungs. Der soll einen Hals wie eine Giraffe kriegen.«
    »Die Hemlokk war hier.«
    »Und was wollte sie?«
    Bettina überlegte ernsthaft, bevor sie antwortete: »Keine Ahnung, das hat sie nicht gesagt. Aber sie hat mir gleich ein Kamillendampfbad gemacht, als sie sah, was mit mir los ist. Nett, nicht?«
    »Hat offenbar zu viel Zeit, die Frau«, qualifizierte Rolf meine gute Tat ab und sank damit auf der Stelle noch mehr in meiner Achtung. Soweit das überhaupt noch möglich war. »Na, die kommt wieder. Aber wenn ich diese olle Schachtel in die Finger bekomme … Oh, Mann, ich brauch noch ein Bier.«
    Neben mir gab Marga einen merkwürdigen Laut von sich, der irgendwo zwischen Unglauben und kompletter Verständnislosigkeit lag. »Ob die ihre Tage immer so verbringen? Ich meine, es regnet nicht, die Sonne scheint sogar. Und draußen sind achtzehn Grad. Ich glaube, ich würde nach spätestens zwei Nachmittagen wahnsinnig werden«, fügte sie mit Inbrunst hinzu.
    Doch Rolf und Bettina offenbar nicht. Drei Vormittage, Nachmittage und Abende saßen wir stramm vor dem Empfänger und lauschten in das Verdoehl’sche Leben hinein. Das bekam unseren Lebern gar nicht gut, dafür wurden wir langsam richtig fit im aktuellen TV-Dschungel. Gerichtssendungen, Kochshows, Frühstücksfernsehen, Spielfilme, Dokusoaps, Telenovelas, Vorabendserien – es verschwamm alles zu einem riesigen Brei. Und die künftigen D&D-Milliardäre tranken Kaffee, aßen Fertigpizzen, gingen pinkeln, kommentierten das Leben auf dem Bildschirm und wetterten in regelmäßigen Abständen über die dämliche Alte, die sie schnöde sitzen gelassen hatte und auch nicht wieder anrief. Immer wieder bestätigte sich Rolf selbst darin, zur Top-Unternehmer-Riege dieser Republik zu gehören, weil er nach eigener Einschätzung mit einem Durch- und Weitblick ausgestattet war, der unbedarfte Gemüter schwindelig werden ließ. Und ansonsten – taten sie nichts. Das hätten wir ja noch verschmerzt, doch sie sprachen weder über Plattmanns Holz, geschweige denn über den nächsten Drohanruf. Ob Bettina möglicherweise

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