DrachenHatz
ihr die dampfende Schüssel unter die Nase, legte ihr das Handtuch über den Kopf und sah sie dabei so energisch an wie eine im Dienst ergraute Krankenschwester. »Und jetzt schön lange inhalieren! Das hilft.«
Sie war brav. Ich wartete einen kurzen Moment, aber sie unternahm keine Anstalten, unter ihrem Tuch hervorzutauchen, um zu sehen, was ich derweil so trieb. Also eilte ich auf Zehenspitzen zum Regal, klaubte die Wanze aus meiner Hosentasche, vergewisserte mich kurz, dass Bettina immer noch über der Schüssel hing, und klemmte das Lauschgerät an das Tulpenblatt. Dann trat ich zwei Schritte zurück und besah mir mein Werk. Und siehe, es war gelungen. Man hätte sich der Plastikflora schon mit der Lupe nähern müssen, um den Sender zu entdecken.
Ich räusperte mich dezent. Bettina verstand den Hinweis und tauchte auf.
»Ich lasse Sie jetzt allein«, teilte ich meinem Opfer einfühlsam mit. »Wenn es einem so schlecht geht, mag man gern seine Ruhe haben, nicht wahr?«
Als Antwort röchelte sie und untermalte ihren Abschiedsgruß mit einem schwachen Wedeln der Rechten, während ich auch schon zur Tür eilte und diese sorgfältig hinter mir ins Schloss zog. Irgendwann sollte mir noch einfallen, was ich eigentlich bei ihr gewollt hatte. Das machte sich einfach besser.
IX
»Wow!«, schrie die männliche Stimme und überschlug sich dabei fast vor Begeisterung. »Das ist ja der Hammer! Nee, ehrlich jetzt, das ist der geile Wahnsinn!«
»Was ist los?«, flüsterte Marga nervös und nahm noch einen Schluck von der Ostfriesenmischung, die ich letztens im Angebot entdeckt hatte.
Sie hatte unten im Hof von Hollbakken auf mich gewartet und auftragsgemäß sorgsam die Auffahrt im Blick behalten, während ich oben Bettina mit Kamille traktiert und die Wanze postiert hatte.
»Und?«, hatte sie verschwörerisch geflüstert, als ich nach vollbrachter Tat auf sie zulief. Im Umkreis von dreihundert Metern war kein lebendes Wesen zu entdecken gewesen. Doch, Nirwana, aber Johannes’ Schecke zählte in diesem Falle nicht.
»Alles paletti«, hatte ich großspurig erwidert und ihr von Bettinas Nase erzählt. Marga fand das große Klasse und meine schnelle Reaktion richtig beeindruckend. Dann waren wir in mein Auto gestiegen und nach Hause gedüst, wo wir es uns umgehend mit besagter Teemischung vor dem Empfänger gemütlich machten, um mit dem Horchangriff zu beginnen.
Die Tonqualität war auch auf diese Entfernung ausgezeichnet. Alles war deutlich zu verstehen, es ergab nur nicht allzu viel Sinn.
Jetzt schluchzte jemand hemmungslos im Verdoehl’schen Wohnzimmer und versuchte dabei gleichzeitig zu sprechen. Es klang wie Schluckauf und war kaum verständlich.
»… siehiehie im-mer-mer geliehiehiebt! Und nun haut die blöde Kuh einfach ab und lässt mich mit den ganzen Schulden und den Kindern sitzen.«
Die letzten Worte kamen klar und deutlich in meiner Villa an, lediglich zerböllert durch drei bis neun ohrenbetäubende Nieser. Jetzt trompetete Bettina fanfarengleich ins Tuch, dass uns die Ohren klingelten.
»Großer Gott«, murmelte Marga und griff gedankenverloren nach einem Plätzchen, hielt aber wie erstarrt inne, als eine nölige Jungenstimme erklärte, ihr halt eine gewischt zu haben. Und es sei nicht so gemeint gewesen, Carla.
»Hältst du das jetzt für eine angemessene Entschuldigung, Alex?«, erkundigte sich daraufhin eine einfühlsame weibliche Drittstimme – wenn man Bettinas Explosionsbeiträge nicht mitzählte.
Du meine Güte, das hörte sich ja fast so kryptisch an wie diese Inhaltsangaben in meiner Fernsehzeitschrift, die ich so liebe, weil sie völlig belanglos, oft bar jeglicher Logik und dadurch richtiggehend geheimnisumwittert daherkommen. Etwa so: Vera erhält überraschend Besuch aus dem All und verliebt sich daraufhin in ihren erschöpften Schwiegervater, der sich jedoch großzügig zeigt und die kleine Alicia adoptiert. Oder ermordet. Je nach Genre halt.
An diesem Punkt gingen ein paar Synapsen in meinem Hirn die richtige Verbindung ein. »Gib mir doch bitte mal die Programmvorschau herüber«, bat ich Marga. Sie reichte sie mir. Ich blätterte. Na also, ich hatte richtig getippt. Bettina war offenbar immer noch allein und zappte sich durch die Kanäle. Marga warf einen anzüglichen Blick auf die Uhr.
In diesem Moment fiel bei Rolf und Bettina eine Tür geräuschvoll ins Schloss.
»Er kommt nach Haus«, raunte ich, obwohl das natürlich völlig überflüssig war. Die künftigen
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