DrachenHatz
metertief in den ausladenden Hosentaschen vergraben. Braver Mann.
Als ich nach Hause kam, erwartete mich eine Überraschung. Thomas hatte aufs Band gesprochen. Verzückt lauschte ich wieder und wieder seiner Stimme und stellte mir dabei die sinnlichen Lippen vor, wie sie die güldenen Worte formten und aussprachen. Dumdidum. Und dideldei! Das Kind Sarah war zu der Erkenntnis gelangt, dass sie eigentlich doch lieber zu Hause bei Mama bleiben und nicht mit Papi und seiner Neuen nach Dänemark kommen wolle, teilte er mir mit. Es sei ja auch ein wenig unbequem für sie, weil sie mit dem Zug hätte zurückfahren müssen. Und das auch noch ganz allein.
Wie wahr, wie wahr!, trällerte ich innerlich, das arme Mädchen. Nach Margas Standpauke hatte ich mich zwar ehrlich bemüht, offen, tolerant, flexibel, aufgeschlossen und so richtig großmütig zu sein – und dies auch noch möglichst alles zugleich –, doch es war mir einfach nicht gelungen. Viel lieber fuhr ich erst einmal nur mit Thomas in den Urlaub statt gleich auch noch mit seiner Nachkommenschaft. Sarah mochte ja ganz nett sein, das war sie sogar sehr wahrscheinlich, aber aus meiner Sicht war es einfach zu früh für solche Eskapaden. Zunächst mussten Thomas und ich sehen, wie es mit uns lief. Und erst wenn wir uns ein bisschen näher kannten, konnten wir Familie spielen. Um es kurz zu machen: Ich war gottfroh, dass das Kind von uns Dreien augenscheinlich diejenige mit dem meisten Grips war oder auf mich plötzlich keinen Bock mehr hatte. Letztendlich war mir ihr Beweggrund auch herzlich egal. Hauptsache, Thomas und ich fuhren allein. Ich beschloss jedoch, ihn erst morgen anzurufen, damit er den Jubel in meiner Stimme nicht allzu deutlich hörte. Ich vermutete zwar, dass er tief in seinem Inneren über die weise Entscheidung seiner Tochter ebenfalls heilfroh war, doch als liebender Vater konnte er das schlecht zeigen. »Vom Kinde gedreht« fand er bestimmt gegenwärtig – noch – nicht lustig. Ich schon.
Zur Feier des Tages eilte ich nach Schönberg, um ein Festmahl zu erwerben. Ein Steak mit ordentlich viel Zwiebeln sollte es sein, ein gemischter Salat dazu sowie eine selbst fabrizierte Knoblauchbutter, ein Baguette und eine Flasche Bardolino, von der es allerdings lediglich ein Schlückchen gab, denn schließlich war heute Nacht Dienst angesagt.
Ich schlemmte mit Genuss. Und weshalb auch nicht? Ich war schließlich frisch verliebt und befand mich auf dem Weg nach Dänemark, der Sülzheimer war gelungen und abgeschickt, und Bauer Plattmanns Holzgeschichte stand kurz vor dem Abschluss. Nur Greta passte noch nicht ganz in diese Erfolgsstory hinein, aber das würde ich auch noch hinbekommen.
Ich hatte gerade die Küchenzeile wieder in einen halbwegs ansehnlichen Zustand versetzt und stöberte kopfüber in meinem Schrank nach einem dicken Pullover und einer Regenjacke, als ich einen Schrei hörte. Es klang fast wie ein verwundetes, zu Tode geängstigtes Tier, trotzdem war ich mir sofort sicher, dass er von einem Menschen stammte. Ich stürzte auf der Stelle nach draußen. Nichts. Das heißt, Gustav hatte es tatsächlich auf die nunmehr stillhaltende Hannelore geschafft. Sein Maul war weit geöffnet, und daraus quollen komische kleine Töne bei jedem Stoß. Aber das war nicht das, was ich gehört hatte. Hektisch blickte ich mich um. Nein, hier bei mir war niemand. Also konnte der Schrei nur aus dem Haupthaus gekommen sein. Greta! Ich rannte los.
Die Haustür war unverschlossen, und ich hechtete die Treppe hinauf, dorthin, woher das nunmehr zu einem Wimmern mutierte Geheul kam. Margas Tür stand offen. Gretas auch. Vorsichtig trat ich näher und entdeckte die beiden Frauen eng umschlungen inmitten des totalen Chaos’. In Gretas Wohnung befand sich kein Teil mehr an seinem Platz. Ich stand da wie vom Donner gerührt und nahm das Bild der Verwüstung in mich auf: Die Sessel waren umgeschmissen, die Bilder von den Wänden gerissen und achtlos auf den Boden gepfeffert worden, die Schubladen hatte der Täter herausgezerrt und einfach fallen lassen, sodass ihr Inhalt sich kunterbunt über die gesamte Fläche verbreitete. Ich stolperte ins Zimmer. Und in die Küche. Dort waren sämtliche Gewürztüten auf einem Haufen geleert und mehrere Teller zerbrochen worden, und im Schlafzimmer hatte der Mistkerl das Bett umgeworfen.
Ich blinzelte. Mein Denkapparat nahm nur knirschend seinen Betrieb wieder auf. Almuth und Fabian? Denen traute ich eine derartige Gemeinheit
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