DrachenHatz
wir Tacheles, Schätzelchen.« Ich vernahm die Botschaft so klar, als hätte sie sie in allen Sprachen dieser Welt formuliert. Einschließlich des Plattdeutschen.
Doch mich beschäftigte in diesem Moment ein ganz anderer, reichlich unangenehmer Gedanke. Ich zögerte. Aber es brachte nichts, wenn man es nicht an- und aussprach. Und meine Schlussfolgerung lag schließlich auf der Hand. »Greta«, begann ich behutsam und von Marga mit Argusaugen beobachtet, »ich sage es nicht gern, aber wir müssen den Tatsachen ins Augen blicken. Die Dinge eskalieren. Erst kamen die Anrufe, dann lag die Ratte vor deiner Tür, und jetzt hat er –«
»Oder sie«, murmelte Marga aufsässig. Sie schätzte es überhaupt nicht, wenn sie über irgendetwas im Unklaren gelassen wurde. Ich beachtete sie gar nicht.
»… deine Wohnung verwüstet.«
»Ja. Stimmt.«
Ich räusperte mich, bevor ich fortfuhr. »Was ich damit sagen will, Greta, ist Folgendes: Es gibt meiner Meinung nach nur noch eine Steigerungsmöglichkeit, wenn du nicht tust, was er will.«
Sie stierte mich an. Fassungslos und zunehmend ängstlich, als ihr langsam dämmerte, wovon ich sprach.
»Du meinst – mich?«
»Dich. Genau«, stimmte ich ihr grimmig zu. »Das nächste Mal wird er es auf dich abgesehen haben.«
»Oh Gott!«
»Was nichts anderes bedeutet«, gab ich mich betont sachlich, »als dass du einen Bodyguard brauchst. Jemand, der Tag und Nacht bei dir ist.«
»Aber wer …?«, kam es von Marga unsicher.
»Ich«, sagte ich kurz. »Und du, Marga, wenn ich schlafe, esse, dusche oder kurz auf dem Klo verschwinde. Tut mir leid, aber ich sehe keine andere Möglichkeit.«
Unten vor dem Haus hielt ein Auto. Ich sprang auf und schielte aus Margas Schlafzimmerfenster hinunter auf den Vorplatz. Unser aller Freund und Helfer war im Doppelpack eingetroffen.
XI
Ein Kuckuck schrie. Ich weiß, dass man das Getöne normalerweise »rufen« nennt. Doch er tat es ständig, stetig und geradezu zum Verrücktwerden gleichmäßig. Und dabei dämmerte es bereits kräftig. Hielt der blöde Pieper da auf seinem schaukeligen Ast denn niemals den Schnabel?
Mit kälteklammen Fingern schraubte ich die Thermoskanne auf und goss mir von dem Kaffee ein, den ich mir in weiser Voraussicht gekocht hatte. Ich probierte einen Schluck. Na bitte. Er war heiß, stark und süß, wie es sich für eine detektivische Nachtwache auf dem freien Feld gehörte. Dann klaubte ich die Stullen aus meinem Rucksack, wickelte die erste aus und biss herzhaft hinein. Lecker. Angeräucherte Leberwurst. Genau das, was ich jetzt brauchte. Der Abend versprach schließlich lang zu werden. Ich war jedenfalls topp vorbereitet: Taschenlampe mit frischen Batterien, eine dicke, nicht mehr neue Hose, die es erlaubte, gemütlich an den Treckerreifen gelehnt auf einem Grasbüschel zu sitzen, um zu lauschen, wer da des Weges geschlichen kam, Regenjacke gegen Nässe und mehr noch gegen den Wind, Block sowie Stift, um die Autonummer zu notieren. Und besagter Proviant. Denn ich rechnete keinesfalls damit, dass Rolf Verdoehl vor Mitternacht auftauchen würde, um seine gierigen Greifer nach der unschuldigen Buche des Bauern auszustrecken.
Nun stellt sich natürlich zunächst die überaus berechtigte Frage, weshalb ich überhaupt hier saß – trotz meines Verdachts, dass der künftige D&D-Tycoon wohl eher die Aktion in Gretas Wohnung gemeint haben könnte, als er sich mit seinen kryptischen Worten an seine Gattin wandte. Dazu ist in erster Linie zu sagen: Ich mache ungern halbe Sachen. Und gänzlich ausschließen ließ es sich halt nicht, dass es bei dem Gespräch doch um das Holz gegangen war. Außerdem hatte ich meinem Vermieter versprochen zu erscheinen. Und Zusagen halte ich ein. Das geht in meinem Job gar nicht anders. Hinzu kam jedoch noch ein drittes Element. Bei ruhiger Überlegung hielt ich Rolfi-Baby immer noch eher für einen Klein- bis Kleinstganoven als für einen veritablen Rattenfänger, wobei ich mir ebenfalls sagte – und dies war der letzte Punkt auf meiner Begründungs-Liste –, dass Greta in der heutigen Nacht bestimmt nichts passieren würde. Der Täter hatte bereits zugeschlagen, und dass er sich zweimal innerhalb weniger Stunden austobte, hielt ich für mehr als unwahrscheinlich.
Also hatten Marga und ich Gretas Wohnung rasch so weit wieder auf Vordermann gebracht, dass sie zumindest zu Bett gehen konnte. Anschließend verabredeten wir, dass von nun an die Haustür unten immer abgeschlossen
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