Drachenkaiser
Silena einen Stuhl hin. »Wir«, er beschrieb einen Kreis, der Nitokris und Nagib einschloss, »wurden entsandt, um Europa zu beobachten. Denn die Asiaten sind erwacht und hungrig.«
»Was hat das mit meinem Mann zu tun?« Silena sah zu Nitokris. »Sind Sie diejenige, die hier die Befehle gibt?«
»Ich habe Ihren Mann nicht bei der Absturzstelle gefunden«, sagte Fayence. »Ich habe Nachforschungen in Sankt Petersburg über die Asiaten und ihren ausbreitenden Einfluss angestellt und erlebte zufällig mit, wie die Raketen das Luftschiff trafen. Ich eilte nach Oranienbaum und wollte sehen, ob ich helfen kann. Aber es hatte keiner überlebt.«
Silena weigerte sich, den nächsten Schluss aus dem Gehörten zu ziehen. Sprach Fayence die Wahrheit, bedeutete es, dass Grigorij auf dem Grund der Ostsee lag. Tot. Das war genau die Vorstellung, die sie ihren Gedanken verboten hatte, seit sie den falschen Grigorij als Leiche im Palais gesehen hatte. »Nein«, hauchte sie und musste sich setzen. Ihr wurde schlecht, die Kraft schwand, und so senkte sie den Arm. Er darf nicht tot sein! Er ist mein Leben! »Sie lügen«, wisperte sie und sicherte die Luger. Es war ihr gleich, ob sie überwältigt wurde oder nicht. Der Schock wurde von Sekunde zu Sekunde größer.
»Nein, Fürstin. Ich lüge nicht.« Fayence trat vorsichtig nach vorne. »Ich war nicht der Einzige an der Absturzstelle.« Er nickte Nagib zu, der die Schublade des Tischchens öffnete und ein Kästchen herausnahm.
Um Silena drehten sich die Wände. Ihre Gedanken überschlugen sich, Sachlichkeit mischte sich unter die Trauer und den Schmerz. Alles Sichwehren brachte nichts. Ihr Verstand schrie, dass ihr Gemahl tot sei, und sie ergab sich der Wahrheit. Wie soll ich sein Unternehmen weiterführen? Was wird damit? Welchen Sinn macht das, was ich tue? Sie langte nach einem Glas, Nagib goss ihr Wasser aus der weißen Karaffe ein. Alles vorbei. Alles gleichgültig…
Nitokris löste Leídas Fesseln. »Wir sind nicht Ihre Feinde. Wir haben den gleichen Feind«, betonte sie.
»Was haben Sie gefunden?« Silena sah Fayence von unten an. Sie erinnerte sich an den Abdruck im Schnee.
Er öffnete das Kästchen und nahm eine Taschenuhr heraus. »Dies hier.«
Ihr Heiligen! Sie nahm sie verwundert entgegen, drehte und wendete sie in den Fingern. Das Siegel des Officium Draconis war in den Deckel getrieben worden. Sie besaß eine baugleiche, ein Geschenk des Erzbischofs, das jedem Heiligennachfahren zur Volljährigkeit gemacht wurde. Auf der Innenseite befand sich das Signum der Linie.
Welches Wappen werde ich gleich sehen? Wer ist noch da gewesen? Silena ließ die Taschenuhr aufschnappen.
XL
5. Januar 1927, Schloss Chanteloup, Departement Indre-et-Loire, Königreich Frankreich
Auch wenn das, was er las, streng genommen keine guten Nachrichten bedeutete, amüsierte sich Vouivre dennoch großartig.
Er hatte einen Brief von Marschall Frank Lacastre aus Bitche bekommen, dem wiederum die Botschaft von Nie-Lung beigelegt war. Ungeöffnet, natürlich.
Die alte Dame hat es ihm schwergemacht, sie zu töten. Vouivre lag auf einem Lager aus weichen, edlen Matratzen und Seide im Kellergewölbe des Schlosses, genoss die frischen Trüffeln aus dem Perigord und überflog die Zeilen des Asiaten zum zweiten Mal. Nie-Lung hatte den Kampf gegen Ddraig und den auserwählten Bullen genau beschrieben.
Doch unter dem Strich bleibt, dass er es nicht geschafft hat. Da kann er noch so sehr angeben, wie er den anderen Drachen zugerichtet hat. Nie-Lung versprach ihm, bald einen zweiten Versuch zu unternehmen und den Pakt damit gültig zu machen. Muss er auch. Er möchte mich als Verbündeten nicht verlieren und kann es sich auch gar nicht leisten.
Vouivres Spione hatten die Gegend um Ruthin abgesucht und ihm anhand der Spuren den Kampf bestätigt. Das Dorf war in Aufruhr, weil die Bewohner das Brüllen und Rumpeln des Drachengefechts meilenweit vernommen und ebenso die zerstörten Wiesen, die zerbrochenen Bäume und die aufgerissene Erde gesehen hatten. Die Queen, so schrieben sie ihm, habe das Officium um Ermittlungen gebeten.
Ein bisschen weniger Aufsehen, mein lieber Nie-Lung, wäre angebracht. Sonst geht die Hätz wieder stärker los. Vouivre schob sich eine der schwarzen Knollen ins Maul und lutschte sie genüsslich. Knollen ins Maul und lutschte sie genüsslich.
Er legte den Brief zur Seite und widmete sich seinen Angelegenheiten.
Dazu glitt er von den mit seidenen Laken
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