Drachenkaiser
Spieß vom Boden aufnahm. »Die Schlange ist es!« Mit dem Schaft teilte er furchtbare Hiebe aus, die Knochen zertrümmerten und die Getroffenen zu Boden sinken ließen, doch er tötete keinen der Chinesen, wie Nie-Lung verwundert registrierte. »Sie kontrolliert euren Verstand, wie es alle Drachen mit den Menschen tun!«
Seine atemlosen Appelle verhallten ungehört, während sich die Reihen lichteten. Niemandem gelang es, ihn zu packen und zu überwältigen.
Nie-Lung machte sich bereit, einen Flammenstoß gegen ihn zu schleudern. Zwar würden dabei zehn seiner Leute verbrennen, doch er wäre den mehr als pfeilschnellen Menschen los. Mein Geheimnis muss bewahrt bleiben. Er spürte das Prickeln im Maul, mit dem die Drüsen, aus denen das Feuer schoss, angeregt wurden. Zur Seite, Wu Li. Er klappte die Schnauze auf, um durch ein Zusammenziehen der Muskeln die brennbare Flüssigkeit freizugeben, die sofort mit der Luft reagieren und zu einer gebündelten, waagrechten Lohe werden würde.
Ichneumon schien nur darauf gewartet zu haben: Er schleuderte seinen Spieß erneut, da er wohl wusste, dass Nie-Lung die Schnauze nicht mehr schließen konnte, oder die Flammen würden durch die Nüstern entweichen. Aber das würde zu schweren Verbrennungen führen.
Während die dunkelgrüne Feuerlanze niederstach, den Maskierten und die Chinesen einhüllte, flog der Spieß durch die Hitze und traf!
Dieses Mal gab es keine goldenen Schuppen, die ihn vor Schaden bewahrten. Die Spitze aus Drachenbein durchbohrte das Maul von innen, perforierte das dünne, empfindliche Fleisch, die Knochen darüber und trat wieder aus. Schuppen wurden emporgeschleudert, einige flogen davon, und das kochende Blut ergoss sich aus den Wunden. Die Spitze selbst kam eine Fingerlänge vor dem rechten Auge zum Stehen. Der brodelnde Lebenssaft spritzte dagegen, Dampf stieg auf, und brüllend schloss Nie-Lung die Lider. Tötet ihn endlich!
Blind schlug er mit den Vorderläufen um sich, die Krallen zerfetzten zwei der Artisten. Das Geschrei der Tiere um ihn herum machte ihn nur noch aufgeregter.
»Da ist er!«, rief Wu Li. Schüsse hallten, die Menschen hatten endlich die Gewehre gebracht, um Ichneumon mit einer Kugel zu erlegen, anstatt sich auf sinnlose Gefechte gegen den überlegenen Gegner einzulassen.
Das Krachen endete nicht. Nie-Lung hörte die Einschläge im Holz, das Pfeifen von Querschlägern, von denen einige an seinem Panzerkleid herabfielen, und das Jaulen getroffener Tiere. Der Geruch von verbranntem Pulver drang in seine Nase, und er musste niesen. Ohne etwas zu sehen, zog er sich den Speer aus dem Maul und grollte dabei laut. Erledigt ihn!
Als die Schmerzen in den Augen nachließen, öffnete er sie und sah sich um.
Wu Li hatte sich mit zehn Mann um ihn verteilt. Sie schirmten ihn mit vorgehaltenen Gewehren ab, der Rest rannte umher und versuchte, den Brand zu löschen, der auf einen Käfig übergesprungen war. Auf einem Fleck verbrannter Erde sah er verkohlte menschliche Überreste, deren Gebeine durcheinanderlagen.
Nie-Lung musste nicht fragen. Er sah am Verhalten seiner Leute, dass der Maskierte entkommen war. Dafür hätte er sie gern getötet und sich neue Diener gesucht, doch der Nachschub in Europa war dürftig. Räumt auf, befahl er Wu Li unter Aufbietung seiner ganzen Beherrschung. Die Polizei wird bald kommen. Sagt ihnen, dass einer der Tiger ausgebrochen sei und sich bei der Jagd ein Teil der Küche entzündet hätte.
»Ja, Läozi.« Der Hüne verneigte sich. »Ich bin untröstlich, dass uns der Frevler entkommen ist und den Angriff auf Euch nicht mit seinem Leben bezahlen musste.«
Es wird eine neue Gelegenheit geben. Da bin ich mir sehr sicher. Der Drache fuhr mit der Zunge von innen gegen die schmerzhafte Wunde. Mit einer Kralle drückte er die blutigen, hochstehenden Schuppen auf seiner Schnauze behutsam zurück. Es knisterte und knackte, und er biss die Kiefer fest aufeinander, um nicht erneut zu brüllen; an den kahlen Stellen würden bald neue Schuppen gewachsen sein. Was deine anderen Aufträge angeht: Beeil dich, Wu Li! Und finde heraus, was es mit Ichneumon auf sich hat. Er ließ kein Wort des Bedauerns über die eigenen Opfer verlauten, die er verursacht hatte. Das musste er auch nicht.
Er schlug ein paarmal mit den Flügeln und löschte durch den enormen Winddruck die letzten Flammen. Die rauchenden Trümmer des Tigerkäfigs fielen in sich zusammen, die Arbeiter sprangen mit ihren Wassereimern in den Händen
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