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Drachenkaiser

Drachenkaiser

Titel: Drachenkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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sah, er war glücklich. Als hätte sich ein Tor geöffnet, flutete ihn sein Verstand mit Vergangenem: Gesichter, Namen, Orte, Ereignisse. Es ging Schlag auf Schlag, und er hatte Schwierigkeiten, die Eindrücke zu verarbeiten. Mechanisch folgte er der Horde.
    Erst als sie die Kirche erreichten, hielten sie an und sahen hinter sich. Auch Grigorij wandte sich um.
    Dort, wo sie eben noch gestanden hatten, lag ein Teil des Zeppelinwracks und kokelte vor sich hin. Treibstoff war ausgelaufen und hatte sich entzündet, Rotorstücke steckten im Erdreich, die Duraluminiumstreben aus dem Inneren hatten sich verbogen, verzogen und waren abgebrochen. Der zweite Teil versank blubbernd in der See, Stücke der Hülle trieben als falsche Eisschollen an der Oberfläche.
    »Gelobt sei der Herr«, rief Knut. »Er hat uns gerettet!«
    Ich weiß wieder alles! Grigorij bückte sich und rieb sich das Gesicht mit Schnee ab. Die Kälte vertrieb die Wirkung des Wodkas. Er sah eines der Fischerboote, das sich bereits in Richtung offenes Meer befand. Da von dem falschen Smith jede Spur fehlte, vermutete er die Männer an Bord des gestohlenen Kahns. Wenigstens sind wir sie los.
    Er sah nach Tilda – und erschrak, weil sie ihn schreckensbleich anstarrte. Intuitiv tastete er sich an den Kopf und spürte nasse Haare an seiner Hand: Er blutete aus einer Kopfwunde. Der Schlag! Bestimmt von einem umherfliegenden Stück Zeppelin. Schmerzen fühlte er keine.
    »Muss ich dich schon wieder nähen?«, murmelte sie besorgt und begutachtete die Verletzung. »Nur ein harmloser Riss in der Haut. Der Schädel ist heil.«
    Jetzt, da es ausgesprochen war, fiel sein Kreislauf in sich zusammen. Grigorijs Lider flatterten,
    »Er bricht zusammen! Bringt ihn ins Pfarrhaus«, sagte Knut und öffnete die Tür. »Legt ihn auf das Sofa.«
    Er wurde angehoben und sah Tilda neben sich. Er richtete seine meeresblauen Augen auf sie, redete schnell und aufgebracht. »Ich kann mich wieder erinnern! Der Schlag an den Kopf hat mir die Erinnerung zurückgegeben. Ich weiß es wieder! Ich weiß alles!«
    Sie rief nach Lasse, damit er die schnell gesprochenen russischen Worte übersetzte, und als er es getan hatte, stießen die Menschen in der Kammer laute Freudenrufe aus.
    Zeit, mich richtig zu bedanken und zu verabschieden. Grigorij richtete sich gerührt von der Anteilnahme auf und fasste Tildas Linke mit beiden Händen. »Vielen, vielen Dank für alles, was du für mich getan hast.« Er sah in die Runde und erhob sich, stand leicht schwankend auf den Beinen. »Ihr alle, habt meinen Dank! Ich werde mich erkenntlich zeigen und Väddo mit Geld überhäufen!« Wieder jubelten die Menschen. »Aber nun muss ich gehen, bevor die Männer zurückkommen.« Er sah die Fischersfrau an. »Ihr habt mich gegen die Ochrana, den Geheimdienst des russischen Zaren, verteidigt. Der Mann, der sich Smith nannte, heißt Vatjankim und ist einer ihrer besten Offiziere. Er hätte wirklich nicht gezögert, auf euch schießen zu lassen.«
    »Es kam zum Glück anders«, antwortete sie und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. »Deine Leute werden bestimmt bald…« Zu ihrer Verwunderung schüttelte er den Kopf.
    »Nein, ich werde nicht auf sie warten. Die Ochrana hat eure Nachricht abgefangen, also werden sie wissen, dass ein Luftschiff kommt, um mich abzuholen. Ich werde auf eigene Faust nach Bilson zurückkehren. Das ist sicherer. Dazu müsstest du mir Geld leihen, Tilda. Ich zahle es dir hundertfach zurück.« Er presste ein Taschentuch gegen seine Wunde, damit das Bluten aufhörte.
    »Sicher«, sagte sie lachend. »Der Zar hat mir genug gebracht. Es liegt zu Hause auf dem Küchentisch.«
    Grigorijs Gefühlswelt war mit einem Schlag bunt geworden, vieles tobte in ihm. Ungeduld, Freude, aber vor allem die riesige Sorge um Silena.
    Die Tür wurde aufgestoßen, und einige Frauen schrien erschrocken auf.
    Doch es war nicht Vatjankim. Olof kam unter großem Hallo hereingepoltert. »Habe ich da eben was von Geld gehört, das uns zusteht? Zieh aber zuallererst meinen Kahn davon ab. Den haben mir die Russen gestohlen!«, dröhnte er und zeigte auf die Beule am Hinterkopf. »Das haben sie mir zum Abschied verpasst.«
    Tilda flog ihm in die Arme und küsste ihn lange. »Olof«, sagte sie Atem holend, »ich bin stolz auf dich!« Die Dörfler und Grigorij klatschten und pfiffen.
    Und wenn Grigorij sich ein bisschen anstrengte, fühlte er Silenas Lippen auf seinen. Ich muss fort!
    Eine halbe Stunde später ritt Grigorij

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