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Drachenkaiser

Drachenkaiser

Titel: Drachenkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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sich in der Nacht einschleichen und sich verbergen, um den Kaiser abzufangen. Er kam stets eine halbe Stunde vor den Beamten in die Halle, las sich die Berichte durch und bereitete sich auf das Treffen vor.
    Dreißig Minuten. Das war das Zeitfenster, das ihnen blieb.
    Silena erinnerte sich, dass die berühmte und berüchtigte Kaiserin Ci Xi, die bis zu ihrem Tod vor knapp zwanzig Jahren den Thron vier Dekaden usurpierte, sich hinter einem Vorhang verborgen und gelauscht hatte, während die
    Beamten ihrem minderjährigen Sohn Berichte ablieferten. In Wirklichkeit hatte sie China, das Reich des Drachen, kontrolliert. Die Dynastie der Qing führte den Drachen ganz offen in ihrer Fahne.
    Hinter der Halle lagen die sechs westlichen Paläste, kleine Höfe mit den Wohnräumen, in denen auch der Kaiser nächtigte; über deren Dächer sollte die Flucht in den Garten führen. Zhiao hatte einen Heißluftballon organisiert, der sie dort aufnehmen würde. Um Verwirrung zu stiften, hatten sie Gasmasken und etliche Handgranaten dabei, die dichten, beißenden Rauch versprühten. Dagegen konnten sich die Wächter in ihrer altertümlichen, traditionellen Aufmachung nicht schützen.
    Die Flucht ist das Heikelste an unserer Mission. Die Drachenheiligen und Ahmat zweifelten nicht daran, dass sie den Kaiser besiegen und entkommen würden.
    Silena hatte jedoch Bedenken.
    Erstens, ob der Kaiser ein echter Drache war, doch das ließ sich mit dem Amulett erkennen. Sie fürchtete immer noch, von den Chinesen als einfache Attentäterin missbraucht zu werden.
    Zweitens, was das Entkommen anging. Gasgranaten waren schön und gut, aber die Soldaten konnten dennoch in eine Nebelwand schießen und aus Glück treffen.
    Drittens blieb eine große Ungewissheit. Zhiao hatte ihnen gesagt, dass der Nachfolger die Staatsgeschäfte reibungslos übernehmen würde, sobald es einen Beweis gab, dass der Drachenkaiser getötet war. Aber er hatte ihnen nicht gesagt, wer der Nachfolger sein würde. Als Ausrede nutzte er, dass der Anschlag misslingen und sie in die Hände des Kaisers fallen könnten.
    Ich muss aufhören zu grübeln. Es gibt kein Zurück mehr. Silena sprang auf ein Ziegeldach und wurde halb von Ahmat aufgefangen. Wenn wir es nicht tun, muss die Welt darunter leiden.
    Sie gönnte sich einige Sekunden, um die nächtliche Stadt innerhalb von Beijlng zu betrachten. Die Wolkendecke war etwas aufgerissen, die großen Paläste überragten alle anderen Gebäude und schimmerten im Sternenlicht. Sie zeugten von der Macht der Drachenkaiser, von ihrem Herrschaffsanspruch. Sie kannte keinen westlichen König oder Kaiser, der sich eine solche Stadt errichtet hatte, in der nur er allein lebte.
    »Komm«, raunte Ahmat. »Du bist eh schon die Letzte.«
    Silena sah zu ihm und erkannte Brieuc, Ademar und Donatus viele Meter voraus. »Sie würden es am liebsten alleine tun. Ohne dich und mich«, knurrte sie. »Ich muss sie daran erinnern, wer sie hergeholt hat.«
    Sie holten die Drachenheiligen auch nicht mehr ein, bis sie die Halle der Geistespflege erreicht hatten. Einen Platz, um sich ungesehen zu beraten, hatten sie rasch gefunden: Sie rutschten auf dem Dach des Hauptgebäudes nach hinten, in den Schatten der anschließenden Mauer. Kein Wächter würde sie in der Dunkelheit erkennen.
    »Herzlichen Glückwunsch«, flüsterte Brieuc fröhlich und schüttelte die Hände von Donatus und Ademar, danach die von Silena. Ahmat ließ er aus. »Wir haben unsere erste Prüfung gemeistert. Es ist aufregend! Wir sind im Heiligsten des Schlitzaugenweltreichs und werden der gesamten Menschheit einen Dienst leisten, der uns unsterblich machen wird.«
    Silena glaubte, sich verhört zu haben. »Wie soll das geschehen, Großmeister? Unsere Verwicklung in dieser Angelegenheit darf niemals bekannt werden, sonst wird China gezwungenermaßen in den Krieg mit dem Westen eintreten. Kein Land der Welt darf sich eine solche Einmischung erlauben.«
    »Ich gedenke, den Kopf des Drachenkaisers mitzunehmen«, eröffnete er grinsend. »Zhiao wollte einen Beweis für dessen Tod, also bekommt er einen.« Ademar und Donatus nickten. Anscheinend hatten sie das Vorgehen bereits vor dem Aufbruch festgelegt. »Ich werde es erst bekannt geben, wenn wir wieder zu Hause sind, Großmeisterin«, meinte er gönnerhaft. »Sie kennen mich: Diesen Ruhm lasse ich mir nicht nehmen.«
    Silena hatte einen Beweis mehr für die Profilierungssucht des Mannes bekommen, die er mit seinen beiden Freunden teilte. Ich werde

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