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Drachenkaiser

Drachenkaiser

Titel: Drachenkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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mit einem letzten Tuckern erstarb.
    Raus hier! Ealwhina benötigte nicht mehr als drei Sekunden, um sich zu orientieren, und glitt zum Fenster hinaus. Sie sprang in dem Augenblick auf den rutschigen Boden, als die Scheinwerfer der Verfolger heran waren. MGs röhrten auf und zersiebten den Wagen; sieben flackernde Mündungsfeuer zeigten, mit welch vernichtender Feuerkraft die russische Armee zwei Unbewaffnete bedachte.
    Sie rollte sich unter das Panzerwrack, grub sich in den weichen Boden und öffnete die untere Ausstiegsluke des Tanks, die nun als Sichtschutz vor ihr hing.
    Der Beschuss aus den automatischen Waffen hielt an. Es klingelte und sirrte um sie herum, blubbernd fuhren die Projektile in die Erde. Der Befehlshaber wollte sichergehen, dass niemand entkommen war. Endlich schwiegen die Maschinengewehre.
    Ealwhina vernahm die Befehle, das Schmatzen der Stiefelsohlen im Morast, kleinere Lichtkegel von Handlampen huschten umher. Hoffentlich denken sie, ich sei früher ausgestiegen.
    Licht drang unter den Panzer, russische Flüche hallten ihr entgegen, und ein Soldat kroch auf sie zu. Es wurde im Schlamm gestochert, die Klinge eines Bajonetts fuhr knapp an ihrer linken Schulter vorbei. Das Licht erlosch, der Soldat rief etwas und zog sich zurück.
    Die Götter mögen mich. Ealwhina wartete, bis die Lastwagen losgefahren waren, und verließ ihr feuchtes Versteck, indem sie durch die Luke in den Tank kletterte und vorsichtig aus dem Turm schaute.
    Der prasselnde Regen spielte eine sehr eintönige Melodie auf dem rostenden Eisen. Die Laster hatten sich bis zur Straße zurückgezogen, wo weitere Fahrzeuge warteten. Starke Scheinwerfer erhellten die Nacht, die Lichtlanzen schwenkten in unregelmäßigen Abständen nach rechts und links. Die Armee hatte nicht aufgegeben. Weit entfernt schimmerte es weiß, wo aus dem Schlamm Eis und Schnee wurden. Ihr erstes Etappenziel.
    Das wird keine leichte Reise bis nach Kiew. Ealwhina sprang auf der abgewandten Seite herab – und stand vor ihrem Fahrer. Tatsächlich schrak sie zusammen, weil er zu unerwartet aufgetaucht war. »Wassilij«, sagte sie erleichtert. »Schön, dass Sie …« Sie unterbrach sich, weil sie bemerkte, dass seine Gestalt von innen leuchtete. Das bedeutete …
    »Sie haben mich auf dem Gewissen«, sagte Wassilij anklagend. »Was wird aus meiner Familie, wenn ich sie nicht mehr ernähren kann?«
    »Sagen Sie mir, wo sie wohnen, und ich lasse ihnen eine stattliche Summe zukommen«, versprach sie.
    Er nannte ihr eine Adresse in Kiew. »Aber das spricht Sie nicht von Ihrer Schuld frei«, beharrte er. »Hätte ich geahnt, wie gefährlich Ihr Auftrag ist, hätte ich ihn niemals angenommen!« Der Geist war wütend.
    Ealwhina verneigte sich. »Sie haben recht. Das tut mir auch sehr leid – aber denken Sie darüber nach, warum Ihre Seele nicht in den Himmel durfte, sondern sich bei den anderen Geistern aufhalten muss. Sie haben eine schwere Sünde begangen.« Sie wollte an ihm vorbeigehen.
    Wassilij stellte sich ihr in den Weg. »Halt! Was soll das bedeuten? Ich muss bleiben und für immer ein Geist sein?«
    Ealwhina sah zu den Lastwagen. »Ihr Lebenslauf scheint einen gravierenden Makel zu besitzen, finden Sie nicht? Ein Unrecht, weswegen Ihnen die Einkehr ins Jenseits verwehrt wird. Mord? Betrug? Vergewaltigung?« Sie lächelte verkniffen. »Ich drücke Ihnen die Daumen, dass Sie Erlösung finden.«
    Er wich nicht zur Seite. »Vielleicht muss ich meine Mörderin ja töten, um Erlösung zu erlangen?«, raunte Wassilij drohend und senkte den Kopf.
    »Das würde ich an Ihrer Stelle nicht versuchen.« Ealwhina wich zurück. »Es vergrößert Ihre Schuld.«
    »Sei’s drum! Es verschafft mir Genugtuung!« Er sprang mit ausgestreckten Händen auf sie zu.
    »Verschwinde!«, rief sie und machte sich bereit, den Geist mit bloßen Händen abzuwehren. »Geh!«
    Im Flug wurden die Konturen des Geistes schwächer, sein Gesicht verzerrte sich, und er wollte schreien – doch da hatte sich Wassilij bereits aufgelöst. Ein bisschen Rauch, der in der Luft stand, erinnerte an ihn. Mehr nicht.
    Was… war das? Ealwhina machte einen Schritt nach vorn, wedelte mit der Hand und brachte den Rauch zum Verfliegen. In ihrer Tasche spürte sie eine enorme Wärme, und als sie hineinlangte und die Splitter des Weltensteins sowie die Murmel ertastete, waren sie beinahe so heiß wie eine glühende Herdplatte. Sie hatte einen Eindruck von der Macht des Artefakts bekommen. Was habe ich mit der

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