Drachenkaiser
ich denen durchaus zugetraut. Wer seine Verwundung durch Raketenschrapnelle überstanden hatte, kam durch den Aufschlag ums Leben. Sie zeigten die klassischen Brüche.« Sie atmete durch.
»Hattest du den Eindruck, dass man einige Leichen nachträglich so zugerichtet hat, um uns zu täuschen?« Silena gab nicht auf, eine Lücke in den Erkenntnissen zu suchen. £5 muss etwas geben!
»Nein.« Leida leerte ihr Getränk. »Silena, auch wenn ich mir gewünscht habe, es nicht sagen zu müssen: Grigorij ist mit Sicherheit tot. Es tut mir leid.«
Schweigend standen sie in der Kälte.
Ein Schwärm Krähen zog über sie hinweg und ließ sich auf den Bäumen um sie herum nieder. Ihre heiseren Stimmen übertönten die leisen Gespräche der Soldaten und Geheimdienstler.
Todesvögel. Silena fürchtete sich vor dem, was ihr bevorstand. Wenn der Leichnam, den Vatjankim ihr zeigen würde, wirklich Grigorij war …Es gibt kein Wenn. Ihre Hoffnung, den Mann ihres Lebens aus einer Zelle zu retten, war gestorben, ausgelöscht durch die nüchternen Worte ihrer Freunde, geschmolzen wie das Eis in Litzows Bart im heißen Kaffeedampf. Sie legte die Hand wieder auf den Bauch. Er hatte sich so sehr Nachwuchs gewünscht, und jetzt, wo sein Traum in Erfüllung gehen wird, bin ich damit allein. Tränen kündigten sich mit Brennen in den Augen an.
Leida sah, dass Silena um Fassung rang, und legte einen Arm um sie. »Soll ich mitkommen?«
»Nein«, antwortete sie mit stockender Stimme und trank hastig von ihrem Tee. Sie ging zu Vatjankim.
Er nickte ihr nur zu, sah das Begreifen in den geröteten Augen. »Mein Beileid«, sagte er nochmals.
Gemeinsam schritten sie durch die Gärten auf das Palais zu. Pulvriger Schnee knirschte laut unter den Sohlen, das Geschrei der Raben verfolgte sie.
Silena dachte nichts mehr. Der schwerste Schlag seit dem Tod ihrer Brüder kündigte sich an; dazu war ihr wieder schlecht. Was tue ich? Wie soll es weitergehen? weitergehen?
Vatjankim schritt auf die Verandatür zu, vor der zwei Polizisten standen und ihnen öffneten. »Wenn Sie…«, setzte er an, aber sie hob abwehrend die Hand und trat ein.
Sie ging an den Tischen entlang, auf die man die gefrorenen Toten gelegt hatte: Eine Uniform der Luftflotte ihres Gemahls folgte auf die andere, die Gesichter sagten ihr nichts. Schließlich stand sie an dem bis zur Unkenntlichkeit verbrannten, zerschmetterten Körper, um den sich Grigorijs zerfetzter Mantel legte.
So furchtbar der Anblick auch war, sosehr ihr der Geruch des verkohlten Fleischs auf den Magen schlug, Silena fühlte eine unerklärliche Erleichterung: Das ist er nicht!
Sie umrundete die Leiche mit pochendem Herzen, betrachtete sie.
O ihr Heiligen! Ihr wart gnädig: Er ist es wirklich nicht! Es war nicht mehr als ein Gefühl, aber von solcher Sicherheit, dass sie nicht daran zweifelte. Die Ochrana hatte Grigorijs Mantel, der anscheinend an der Leiche gefunden worden war, mitsamt den Habseligkeiten danebengelegt. Daran hatten sie ihn zu identifizieren geglaubt.
Silena zitterte vor Aufregung und vor Überschwang der Gefühle. Sie war sich schlagartig bewusst, dass sie ihren Mann von all seinen Feinden befreien konnte, wenn sie jetzt seinen Tod verkündete. War das sogar sein Plan? Eine kühne Theorie, die sie ihm dennoch zutraute: Aus einer brenzligen Situation hatte er einen Vorteil errungen. Sie nahm eine silberne Zigarettenspitze auf und drehte sie zwischen den Fingern. Meldet er sich bei mir? Soll ich ihn finden? Sie hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte.
Schritte näherten sich ihr, Vatjankim stellte sich neben sie. »Gaspascha Zadornova, wie geht es Ihnen?«
Silena konnte sich nicht mehr beherrschen. Obwohl sie vor Erleichterung hemmungslos weinte, würde der Strom aus Tränen seinen Zweck gegenüber dem Geheimdienstler erfüllen. »Sie hatten recht«, sagte sie undeutlich und nahm ein Taschentuch aus dem Mantel. »Es ist mein Mann.« Sie putzte sich die Nase.
Aber Vatjankim ließ sie nicht aus den Augen. »Woran machen Sie das fest, Gaspascha Zadornova? Bitte haben Sie Verständnis, dass ich Sie das fragen muss.«
Sie gab zunächst die Empörte, die schließlich stammelnd erklärte, woran sie ihren Gatten erkannt haben wollte.
Er schrieb alles mit und ließ sich sein Protokoll von ihr gegenzeichnen. »Damit ist Ihr Mann offiziell identifiziert und für tot erklärt«, sprach Vatjankim nachdenklich und ließ ein Tuch über der Leiche ausbreiten. »Ich danke für Ihre Bereitschaft,
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