Drachenkampf
Hinterhöfe, alle Wasserläufe und Gräben der Stadt stanken unter der brütenden Sonne umso schlimmer, doch das Arbeitszimmer von Meister Teyssier verschonte sie. Hinter verschlossenen Fensterläden erholte sich der Zaubermeister Seiner Eminenz von der Müdigkeit einer durchstudierten Nacht: Er war an seinem Schreibtisch eingeschlafen. Sein Kopf war auf die verschränkten Vorderarme gebettet, er schnarchte laut vor sich hin und sabberte ein wenig.
Draußen auf der Treppe ertönte etwas, das sich sehr nach einer Auseinandersetzung mit Geschrei und Gerangel anhörte, und es riss ihn unsanft aus dem Schlaf. Er setzte sich auf und betrachtete mit noch leicht verschwommenem Blick und zerzaustem Haar, zunächst erstaunt und schließlich beunruhigt, das Individuum, das in sein Zimmer gestürmt kam. Ein kräftiger, gedrungener Mann mit weißem Haar und schwarzbraunem Gesicht, dem man aus zehn Meilen Entfernung ansah, dass er Soldat war, und der den Diener wegstieß, der vorgab, ihm den Zutritt zu verwehren.
Der schlaksige junge Teyssier erhob sich und blickte sich suchend nach etwas um, mit dem er sich verteidigen könnte. Doch er fand nichts und tröstete sich mit dem Gedanken, dass er ja sowieso nicht wusste, wie man kämpfte.
»Monsieur?«, sagte er also betont würdevoll.
»Bitte verzeiht mein Eindringen, Monsieur. Aber die Angelegenheit ist wichtig.«
Der Diener, der sah, dass sich eine Unterhaltung entspann, blieb abwartend stehen.
»Zweifellos, Monsieur. Aber ich glaube nicht, dass wir uns kennen.«
»Ballardieu, Monsieur. Ich stehe im Dienst von Hauptmann La Fargue.«
»In wessen Dienst?«
Die Frage überraschte Ballardieu. Er zögerte, warf einen argwöhnischen Blick auf den Diener. Dann trat er vor, beugte sich zu Teyssier hinunter, räusperte sich und flüsterte: »Die Truppe der Klingen des Kardinals, Monsieur.«
Dem Zaubermeister ging ein Licht auf. »La Fargue! Aber natürlich, ja …«, murmelte er mit einer Erleichterung und Zufriedenheit, die der alte Soldat gern teilte …
… die jedoch zu nichts führten.
Mit zaghaftem, erwartungsvollem Lächeln auf den Lippen starrten sich die Männer schweigend an. Jeder wartete darauf, dass der andere etwas sagte. Auch der Diener wartete und ließ sich vom Lächeln der beiden anstecken.
Bis Teyssier sich schließlich erkundigte: »Also? La Fargue?«
Dies gab Ballardieu den Anstoß. Er blinzelte einmal und vermeldete: »Der Hauptmann wünscht Euch zu sprechen.«
»Heute?«
»Durchaus.«
Auch wenn ihn Unvorhergesehenes schnell in Verlegenheit brachte, war Teyssier doch ein junger Mann voll guten Willens.
»Nun gut … äh … in diesem Falle … in diesem Falle, sagt ihm, dass ich ihn empfangen werde, wann es ihm beliebt.«
»Nein, Monsieur. Ihr müsst zu ihm kommen. Der Hauptmann erwartet Euch bereits.«
»Jetzt?«
»Jetzt.«
»Es ist nur so, dass ich selten ausgehe.«
»Könnt Ihr reiten?«
»Nur ausgesprochen schlecht.«
»Macht nichts.«
Eine Stunde später im Palais Épervier war Teyssier noch immer bemüht, sich selbst davon zu überzeugen, dass er nicht entführt worden war. Leicht verunsichert fertigte er eine Federzeichnung des Pentagramms an, das Saint-Lucq in Dampierre gesehen hatte und das er ihm aus der Erinnerung beschrieb. Man befand sich im großen Waffensaal, der von der Sonne erhellt wurde. Sie schien durch die drei hohen Fenster herein, die in den Garten mit seinem wuchernden Gras, dem alten Tisch und dem Kastanienbaum hinausgingen.
Teyssier vermied tunlichst den scharlachroten Blick durch die unheimlichen Brillengläser und konzentrierte sich auf seine Zeichnung, die er im Lichte seines eigenen Wissens korrigierte und vervollständigte. Aber er konnte sich nicht verkneifen, zu La Fargue hinüberzuschielen, der ungeduldig auf und ab ging, oder zu Marciac hinüberzuspähen, der an einem Glas nippte und seinen Gedanken nachhing, während er mit seinem knarrenden Stuhl schaukelte. Laincourt war außerhalb seines Blickfelds, doch er spürte, dass er über seine Schulter hinweg dem Fortschritt seiner Skizze folgte. Reglos und stumm bewachte Almadès die Tür. Und Ballardieu hatte den Zaubermeister bloß bis in die Eingangshalle begleitet, denn sobald er das Palais betreten hatte, hatte La Fargue Teyssier übernommen und ihm erklärt, was man sich von ihm erwartete: Er sollte eine Skizze eines Pentagramms anfertigen, das man ihm beschreiben würde.
»Halten Ihr die Sache für möglich, Monsieur?«
»Ja, vorausgesetzt
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