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Drachenkampf

Drachenkampf

Titel: Drachenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Pevel
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es dort zu dieser Stunde schon sehr belebt war. Die junge Baronin zählte darauf, dass man sich gegenseitig auswich – und man wich sich tatsächlich aus, auch wenn dabei manchmal gegrummelt und oft gar gewettert wurde. Sie ritt über die Rue des Saints-Père in die Rue Saint-Dominique und bog im Herzen des Faubourg Saint-Germain unweit der wunderbaren Abtei, die ihm seinen Namen gab, in die sehr enge Rue Saint-Guillaume ein. Dort musste sie im Schritt weiterreiten, weil sie Angst hatte, einen Spaziergänger umzureiten oder auch einen fliegenden Händler, einen Kaufmannsstand, ein altes Weib, das gerade über den Preis eines Hühnchens verhandelte, oder einen Bettler, der seine Almosenschale schwenkte.
    Als sie vor dem Palais Épervier anhielt, zog sie die Aufmerksamkeit auf sich. Sie war von einer strengen, unbeugsamen Schönheit, die verblüffte. Schlank und mit stolz erhobenem Kopf zog sie alle Blicke an. Sie hatte blasse Haut, grüne Augen, dunkle und volle Lippen und langes schwarzes Haar, das zu einem Knoten zusammengefasst war, der die schweren Locken aber nie lange bändigen konnte. Besonders staunte man allerdings über ihre bis über die Knie reichenden Stiefel, die schwarzen Beinkleider und über das Mieder aus rotem Leder, das sie über einem weißen Hemd trug. Ihre Aufmachung war mindestens gewagt. Doch sie gab sich nicht damit zufrieden, so in der Öffentlichkeit aufzufallen, gab sich nicht damit zufrieden, ohne Hut auszugehen, sondern trug auch noch ein Schwert und saß wie ein Mann auf dem Pferd. Es war wirklich ein Skandal …
    Agnès war die unterschwellige Aufregung, die sie auslöste, gleichgültig, und sie stieg vom Pferd hinab in den abstoßenden Dreck, der die Straßen von Paris überzog. Zwar hätte sie lieber ihre Stiefel geschont, aber dafür hätte sie klingeln und warten müssen, bis jemand gekommen wäre, um ihr einen der beschlagen Flügel der großen Toreinfahrt zu öffnen. Also zog sie es vor, selbst die Fußgängertür aufzumachen, die nur in der Nacht verriegelt wurde. Sie führte ihr Pferd am Halfter und trat in einen gepflasterten Hof, in dem die beschlagenen Hufe wie Schüsse aus einer Muskete widerhallten.
    André kam aus den Stallungen gelaufen, eilte auf die Baronin von Vaudreuil zu und nahm ihr respektvoll die Zügel aus der Hand. »Ihr hättet die Glocke läuten sollen, Madame«, sagte der Knecht. »Ich hätte Euch geöffnet.«
    Vorwurf und Bedauern schwangen in seiner Stimme mit.
    Er war braunhaarig, am Hinterkopf vorzeitig kahl und trug einen dichten Schnauzbart. Er schaute missmutig drein, wie jemand, dem es versagt war, seine Arbeit korrekt zu erledigen, und der es vorzog zu schweigen und sich seinen Teil zu denken.
    »Schon gut, André … Danke.«
    Während der Stallknecht das Pferd, das von Agnès nicht geschont worden und entsprechend dreckig war, in den Pferdestall führte, zog sie ihre Handschuhe aus und betrachtete resigniert die Szenerie.
    Sie seufzte.
    Das Palais Épervier war wahrlich ein düsterer Ort. Es handelte sich um ein weitläufiges Anwesen mit schmalen Fenstern und dicken Wänden, so schmucklos wie unkomfortabel, das ein hugenottischer Edelmann nach der Sankt-Bartholomäus-Nacht hatte erbauen lassen. Jetzt diente es als Hauptquartier der Klingen des Kardinals, einer geheimen Eliteeinheit, die von Hauptmann La Fargue kommandiert wurde und dem direkten Befehl Kardinal Richelieus unterstand. Agnès mochte dieses Palais nicht, in dem ihr die Nächte länger und dunkler vorkamen als anderswo. Aber sie hatte keine Wahl. Da sie in Paris über keinen eigenen Wohnsitz verfügte, musste sie im Dienste Seiner Eminenz hier wohnen. In der Tat konnte sie zu jeder Stunde der Befehl für einen eiligen Auftrag aus dem Kardinalspalais erreichen.
    Ballardieu, der auf der Außentreppe des Hauptgebäudes erschien, riss Agnès aus ihren Überlegungen. Er war ein alter Soldat, massig und grau meliert, den der Wein und sein Hang zu gutem Essen hatten auseinandergehen lassen. Geplatzte Äderchen überzogen seine Wangen. Doch sein Blick war immer noch wach, und er konnte noch immer einen Ochsen mit nur einem Fausthieb niederstrecken.
    »Aber wo bist du denn gewesen?«, rief er aus.
    Agnès hielt ein Lächeln zurück und ging auf ihn zu.
    Weil er sie so gut er konnte großgezogen hatte, weil er sie auf seinen Knien hatte reiten lassen und ihr ihren ersten Degen geschenkt hatte, verzieh sie Ballardieu gern, dass er zu oft vergaß, dass sie eine Baronin war und keine acht Jahre

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