Drachenkampf
sie gestern bei der Begegnung mit La Fargue getragen hatte, sehr ähnelte.
»Und was ist mit dir?«, erkundigte sich Aubusson mit einer Stimme, in der der Vorwurf die Sorge übertraf. »Du hattest versprochen, dich ein wenig auszuruhen.«
»Ich werde mich heute Abend ausruhen«, sagte Alessandra.
Der Maler half ihr, das Gatter zu schließen.
»Man muss sich gut um sie kümmern«, fügte sie hinzu und wies mit dem Kopf auf die Wyverne.
»Versprochen.«
»Sie hat es sich wirklich verdient. Heute Nacht hat sie dem schrecklichen Gewitter getrotzt und nicht nachgelassen, trotz der …«
»Ich würde ihr mein Bett anbieten, wenn dich das trösten würde … Aber ist es erlaubt, sich auch ein paar Sorgen um dich zu machen?«
Die italienische Spionin antwortete nicht, denn sie war in ihre eigenen Gedanken versunken und ließ einen forschenden Blick über die Umgebung schweifen.
»Was gibt es?«, fragte Aubusson beunruhigt und sah sich nun selbst um.
»Ich frage mich, wo Regen und Traufe sind, meine Zwillingsdragune.«
»Pah! Sie jagen wahrscheinlich gerade Waldmäuse und legen sie uns dann halb zerfetzt vor die Tür …«
Der Maler führte Alessandra am Arm zu einer schattigen Laube. Sie nahmen Platz, und als sie einander gegenübersaßen, nahm Aubusson sanft die Hände der jungen Frau in die seinen und sah ihr in die Augen.
»Du kannst es noch immer sein lassen, weißt du?«
Die Italienerin lächelte zärtlich und gerührt. Die väterlichen Gefühle, die dieser Mann für sie hegte, rührten sie. Er war tatsächlich der Einzige, den sie nie zu erobern versuchte. »Nein«, sagte sie. »Es ist zu spät. Es ist schon lange zu spät … Außerdem habe ich schon alle Vorkehrungen für heute Abend getroffen. Das Wichtigste ist, dass wir uns an den Plan halten. Erinnert Euch, man wird mich sicher nach Fuchsbau bringen.«
»Ich weiß. Morgen werde ich die Umgebung des Jagdschlosses erkunden gehen. Und ich werde auch in der Nacht noch einmal dorthin zurückkehren, damit ich sicher sein kann, dass ich den Weg zur Waldlichtung wiederfinde, egal, was geschieht.«
»Das Gebiet ist weitläufig, aber bewacht. Lasst Euch nicht erwischen.«
»Wenn es nötig ist, werde ich einfach sagen, ich sei ein Spaziergänger, der sich verlaufen hat … Aber was, wenn man dich anderswo hinbringt?«
»Ich kenne den Kardinal, und daher weiß ich, dass das wenig wahrscheinlich ist.«
»Aber nicht ausgeschlossen.«
»Dann werde ich dir durch Regen und Traufe Bescheid geben.«
»Und wenn man dich irgendwo hinbringt, wo man nicht zu dir durchdringen kann?«
»Wo sollte das sein?«
»Im Châtelet ? In der Bastille ? In einem Kerker im Château de Vincennes ?«
Gereizt stand Alessandra auf. »Ihr seht immer alles so schwarz!«
Jetzt erhob sich auch Aubusson. »Dein Plan ist zu riskant!«, rief er aus. »Es wäre ein Wunder, wenn …«
Er beendete seinen Satz nicht, verärgert und verwirrt darüber, dass er sich hatte hinreißen lassen.
Mit einem verständnisvollen Lächeln blickte die Italienerin ihn an und ließ ihn so wissen, dass sie es ihm nicht übel nahm. »Ihr habt etwas vergessen«, sagte sie.
»Was?«
»Selbst wenn sie es noch nicht ahnen, habe ich die Klingen des Kardinals auf meiner Seite.«
Die Taverne befand sich in der Rue des Mauvais-Garçons , nicht weit vom Friedhof Saint-Jean entfernt. Sie passte in das Viertel: schmutzig, finster, stinkend und düster. Und als wenn es nicht schon genügt hätte, dass der erdige Boden mit dem ungesunden Dreck bedeckt war, der auch das Pflaster draußen verschmutzte, wurde die Luft auch noch vom Pfeifenrauch, den minderwertigen Kerzen aus gelbem Talg und dem üblen Geruch von Schweiß und Fett verpestet. In die Einäugige Tarasque ging man, um zu trinken, um sauren Wein hinunterzustürzen und den Schmerz oder das schlechte Gewissen zu betäuben. In einer Ecke brummelte ein Betrunkener vor sich hin. Früher hatte hier abends ein Alter oftmals melancholische Weisen gespielt. Aber er kam nicht mehr.
Arnaud de Laincourt dagegen kam täglich.
Er saß allein an einem Tisch, auf dem Marschall an seiner kurzen Kette saß und das alte, erkaltete Wachs aus dem Holz kratzte. Ein Glas und einen Krug aus braunem Sandstein vor sich, stierte der ehemalige Spion des Kardinals verloren vor sich hin.
Und traurig.
Unwillkürlich musste er an all die Opfer denken, die er im Dienste Seiner Eminenz erbracht hatte, und daran, wie wenig er dafür erhalten hatte. Er dachte an die Jahre, die er mit
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