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Drachenkampf

Drachenkampf

Titel: Drachenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Pevel
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noch einen Auftrag für ein Porträt an. Doch das war eher selten geworden. Aubusson lebte so zurückgezogen, dass man meinen konnte, er sei tot oder ausgewandert, obwohl er sich nicht weiter als ein paar Steinwürfe von Paris entfernt niedergelassen hatte. In der Nähe des Dorfs Dammartin verlebte er friedliche Tage und hatte als einzige Gesellschaft bloß ein altes Dienerehepaar und einen jungen Knecht.
    Dieser zermahlte gerade Farbe in einem Mörser, als sich Aubusson dazu entschloss, sein Gemälde bis zum nächsten Tag ruhen zu lassen.
    »Du reinigst meine Pinsel, Jeannot.«
    »Gut, Meister.«
    Daraufhin verließ der Maler das Atelier mit dem goldenen Licht, dem ganzen bunten Durcheinander und all den Gerüchen, die ihm zu Kopfe stiegen.
    Draußen blendete ihn die Nachmittagssonne, während er über den Hof ging. Er hatte es eilig, und die Schöße seiner großen ärmellosen Jacke schlugen ihm gegen die Schenkel. Der Staub, den seine Schnallenschuhe aufwirbelten, verfing sich in seinen Strümpfen. Schützend hielt er die Hand vor die Augen und schob dabei die Stoffmütze, die er auf dem Kopf trug, leicht zurück. Aubusson war recht groß. Alter und Ruhestand hatten ihn nicht zu sehr aus der Form gehen lassen, er war noch immer ein schöner Mann mit einem eigenwilligen Profil und dichtem Haar, das genauso weiß war wie sein sauber gestutzter Bart. Die Frauen fanden noch immer Gefallen an ihm, auch wenn es nicht mit der Anziehung zu vergleichen war, die er auf sie gehabt hatte, als er noch im besten Alter gewesen war. Früher hatte er die Mätressen geradezu gesammelt, und manchmal hatte er sie sich sogar unter denjenigen ausgesucht, deren Porträt er für einen zu vertrauensseligen Vater oder Ehemann malen sollte.
    Das große Anwesen lag still da.
    Am Eingang wusch sich Aubusson in einem Becken mit frischem Wasser die Hände. Dann legte er Hut und Jacke ab, die er nur zum Malen trug, und tauschte letztere gegen ein Wams, das über der Lehne eines Stuhls hing. Er hatte es gerade zugeknöpft, als Mutter Trichet, die er schon in der Küche hantieren gehört hatte, ihm ein Glas kühlen Wein brachte, wie immer, wenn er aus dem Atelier kam.
    »Seid Ihr schon fertig für heute, mein Herr?«
    »Tja … Es scheint, als sei heute einer der Tage, an dem mir nichts gelingen will …«
    Mutter Trichet – eine dicke Frau um die fünfzig mit rundem Gesicht – nickte, während Aubusson sein Glas in einem Zug leerte und es ihr reichte.
    »Danke. Ist die Signora in ihrem Zimmer?«
    »Nein, mein Herr. Sie ist hinten, mit ihrem Ungeheuer …«
    Der Maler lächelte, ohne aufzublicken. »Ich werde heute allein zu Abend essen«, sagte er und schickte sich zum Gehen an.
    »Gut, mein Herr.«
    Im Hinterhof, wo die Hühner herumpickten und ein alter, müder Hund vor sich hin schnarchte, ging Aubusson um den Stall herum bis zu einer Koppel. Unter einem Verschlag aus schlecht schließenden Brettern schlummerte, ganz benommen von der Hitze, eine Wyverne. Die schöne Alessandra di Santi, deren langes rotes Haar in der Sonne glänzte, kniete daneben und streichelte ihr den großen, schuppigen Kopf.
    Auf das Gatter gelehnt, beobachtete Vater Trichet mit zusammengekniffenen Augen die Szene. Er trug einen altmodischen Hut mit breiter Krempe und hatte eine qualmende Tonpfeife im Mundwinkel. Er war schon ein betagter Mann mit knorrigem Körper, den die Arbeit ebenso abgehärtet wie ausgezehrt hatte. Er sprach wenig, und als Aubusson neben ihn trat, schüttelte er bloß den Kopf, um zu zeigen, dass er missbilligte, was sich vor seinen Augen abspielte, er seine Hände jedoch in Unschuld wusch.
    Selbst wenn sie als Haustiere gehalten wurden oder gezähmt waren, blieben Wyvernen Fleischfresser, die stark genug waren, jemandem mit einem Biss den Kopf abzureißen. Und genauso, wie man es vermied, ein Pferd hinterrücks zu erschrecken, so sollte man diese Vorsicht auch bei diesen geflügelten Reptilien walten lassen, so sanft und friedlich sie auch scheinen mochten. Das waren Grundregeln, die jeder kannte – oder fast jeder … die Italienerin jedenfalls kümmerte sich ganz offensichtlich nicht darum.
    Sie kehrte der Wyverne den Rücken zu und verließ die Koppel, ohne sich darum zu scheren, was hinter ihr passierte. Dann sagte sie zu dem Maler: »Die Arme ist ganz erschöpft. Ich muss zugeben, dass ich sie in den letzten Tagen nicht geschont habe …«
    Alessandra lächelte gelassen. Sie trug ein Jagdkostüm, das ihr hervorragend stand und jenem, das

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