Drachenkampf
Es ist deine Aufgabe, dir über Dinge Sorgen zu machen, die die anderen nicht kümmern, an das zu denken, was die anderen vergessen, zu sehen, was den anderen entgeht … Aber die Tage verstreichen, deine Krieger werden ungeduldig, und du fürchtest, sie nicht mehr lange im Zaum halten zu können.«
Stellte der Saaskir etwa seine Autorität infrage? Kh’Shak gefror das Blut in den Adern.
»Meine Krieger fürchten und respektieren mich! Sie werden mir gehorchen!«
Auf dem Gesicht des alten Draqmagiers zeichnete sich ein Lächeln ab, das der andere jedoch nicht sehen konnte.
»Gewiss, gewiss … Dann ist doch alles in Ordnung, oder?«
»Ja«, war Kh’Shak nun genötigt zu antworten. »Alles in Ordnung.«
Schweigen machte sich breit. Der Schwarzdraq wusste nichts weiter zu sagen. Schließlich erklärte der unbewegliche Alte mit süßlicher Stimme: »Du musst mich jetzt verlassen, Kh’Shak. Ich muss mich ausruhen.«
Auf Schloss Fuchsbau trank die Italienerin gerade eine Tasse Schokolade aus, während ein Bediensteter das Geschirr und die Reste ihres Frühstücks abräumte. Aus ihrem Sessel schielte sie verstohlen zu Leprat hinüber, der an einem Fenster stand und hinaussah. Er behielt den Weg im Auge, der aus dem Wald herausführte und schnurgerade zwischen den Nebengebäuden hindurch über den Vorhof verlief, bis zu der Brücke über den Schlossgraben.
Antoine Leprat, Chevalier d’Orgueil.
Er war also ein Mitglied der von Hauptmann La Fargue befehligten Klingen des Kardinals. Und, wie es schien, ein ehemaliger Musketier des Königs. Besonnen, reserviert, höflich, wachsam. Vermutlich unbestechlich. Alles in allem integer. Er war groß, hatte braunes Haar, einen harten Blick. Und er war verführerisch für diejenigen, die reife Männer mochten, deren Gesichter von den Jahren und Prüfungen gezeichnet sind. Sicher auch mit einer brutalen Seite. Dieser Leprat wusste bestimmt, wie man kämpft, und er scheute die Gewalt nicht. Sein muskulöser Körper musste voller Narben sein …
Alessandra di Santis Blick schien in der Stille zu intensiv geworden zu sein, denn Leprat spürte ihn und drehte sich zu ihr um. Sie machte nicht den Fehler, hastig den Blick abzuwenden, denn das wäre zwangsläufig dem Eingeständnis eines Schuldgefühls gleichgekommen.
Listig, wie sie war, log sie mit einer Andeutung auf den Grund ihres Interesses. »Woher habt Ihr denn diesen sonderbaren Degen, Chevalier?«
Wie immer trug Leprat sein weißes Rapier an der Seite, von der Spitze bis zum Knauf aus einem Stück eines Drachenzahns gefertigt. Eine außergewöhnliche und äußerst gefährliche Waffe, leichter und zugleich robuster als die beste Toledoklinge.
»Er wurde mir anvertraut.«
»Von wem? Und unter welchen Umständen?«
Der ehemalige Musketier lächelte, ohne zu antworten, und wandte sich wieder zum Fenster. Sein Blick verlor sich an der Baumgrenze.
»Kommt, Monsieur …« So schnell ließ die schöne Spionin nicht locker. »Nun leben wir schon seit mehreren Tagen unter einem Dach und verbringen den Großteil unserer Stunden miteinander, und ich weiß noch immer so gut wie nichts über Euch.«
»Genauso wie ich fast nichts über Euch weiß. Und das ist zweifellos besser so.«
Alessandra erhob sich und ging gemessenen Schrittes zu Leprat hinüber; hinter seinem Rücken, denn er blickte weiter aus dem Fenster.
»Aber ich verlange doch gar nicht mehr, als dass Ihr mich besser kennenlernt, Chevalier. Stellt mir Eure Fragen, ich werde sie beantworten …«
»Die Aufgabe, Euch Fragen zu stellen, überlasse ich Monsieur de Laffemas.«
»Kann Euch auch ein bisschen Schokolade nicht erweichen? Es ist noch etwas übrig …«
Leprat drehte sich vom Fenster weg und stand der Italienerin plötzlich ganz dicht gegenüber. Tatsächlich war sie so nah an ihn herangetreten, dass sie sich beinahe berührten. Da sie kleiner war als er, sah sie von unten zu ihm auf und hielt dabei den Rand der Tasse an ihre geöffneten, leicht glänzenden Lippen.
Ihre Augen lächelten.
»Mögt Ihr Schokolade, Chevalier?«
»Ich … ich weiß es nicht.«
»Ihr habt sie nie probiert?«
»Nein.«
Schokolade wurde in Frankreich noch verkannt und verdankte das bisschen Ruhm, das sie genoss, Königin Anne, die während ihrer Kindheit in Spanien Geschmack daran gefunden hatte und im Louvre danach verlangt hatte. Doch Schokolade war weiterhin nur einer reichen Elite vorbehalten und wurde – eigentümlicherweise – nur von Apothekern verkauft.
»Sie ist
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