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Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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einen Platz auf dem durchgesessenen Sofa in seinem halbdunklen Arbeitszimmer zu. Von wegen, herzlich die Hand schütteln und »Gnädige Frau sehen bezaubernd aus, was dürfen wir Ihnen zu trinken anbieten?«! Die Herren waren sichtlich gekränkt darüber, dass ich mich selbstständig gemacht hatte und ihnen nicht mehr zuarbeitete. Aber es ging mir wie gesagt um Dadgul. Um seine Zukunft.
    »Meine Herren, wie Sie wissen, möchte ich in Katachel eine Schule mit einem gesonderten Mädchentrakt errichten lassen. Zu diesem Zweck haben wir bereits Schulmöbel für acht Klassen nach Peshawar schicken lassen«, begann ich die Verhandlungen. »Das Grundstück ist gekauft und bezahlt. Jetzt brauchen wir einen Transport der Schulmöbel nach Katachel.«
    Sie starrten mich böse.
    »Es ist ja nicht so, dass ich den nicht bezahlen könnte!« Um meine Worte zu bekräftigen, hob ich mein langes Herrenhemd hoch und zog den Gürtel mit dem Geld hervor. »Hier. Zwanzigtausend Mark. Bitte schön.«
    In Erwartung von Begeisterungsschreien und anerkennenden Pfiffen sah ich sie triumphierend an. Klasse, was?
    Aber afghanische Männer sehen es nicht gern, wenn Frauen sie übertreffen. Und mehr zustande bringen, als sie sich je erträumt hätten.
    Dr. Mirajan wurde blass, starrte erst auf das Geld und dann auf mich, sprang wütend auf und verließ mit wehendem Kaftan den Raum. Das war wohl doch keine so gute Idee, dachte ich. Aber nun lag die Kohle da. Ich wollte doch nur … Scheiße.
    »Kommt der wieder?«, flüsterte ich Dadgul verlegen zu.
    Dadgul fixierte die Geldscheine. Khalid Wakili auch. Mir brach der Schweiß aus.
    Plötzlich sprang Khalid ebenfalls auf und rannte raus.
    »Dadgul?«
    »Jetzt sind sie sauer«, sagte Dadgul betroffen.
    »Ja, aber warum denn? Spinnen die? Ich bringe denen Unmengen von Geld für ihren Wiederaufbau, und die sind beleidigt?«
    Dadgul zog den Kopf ein. Wie zwei Schüler, die etwas angestellt haben, warteten wir gefühlte zwei Stunden lang. Aber die Herren kamen einfach nicht wieder.
    »Nö«, sagte ich schließlich entschlossen und stand auf. »Das lasse ich mir nicht bieten.«
    Oben in Mirajans Privatgemächern schrien sich die beiden wütend an.
    »Was haben die denn?«
    »Das werde ich Ihnen sagen, Misses Schnehage!« Dr. Mirajan spuckte mir förmlich ins Gesicht vor Zorn. (Zum Glück war da noch der Bart dazwischen.) »Ich sehe doch gar nicht ein, weiterhin Miete für den Lagerraum zu bezahlen, in dem Ihre Schulmöbel stehen! Sie entfernen jetzt sofort das Zeug aus meinen Räumen!«
    »Äh … wie bitte?« Ratlos sah ich Dadgul an. Vielleicht war sein Englisch missverständlich.
    »Innerhalb von vierundzwanzig Stunden! Und jetzt raus!« Seine schwarzen Augen funkelten so böse, dass ich schleunigst das Weite suchte. Mit pochendem Herzen stand ich auf dem dunklen Gang. Ich kam mir wirklich vor wie vom Schuldirektor verwiesen!
    Schließlich schob sich Khalid aus dem Raum: »Sie sollten hier lieber ein Konto bei der Union Bank einrichten, Frau Schnehage. Ich helfe Ihnen dabei.«
    Das war ja schon mal echt entgegenkommend.
    »Hier in Peshawar ist es Selbstmord, mit so viel Bargeld rumzulaufen«, rügte er mich im Auto. Ich hockte ganz verschüchtert auf dem Rücksitz. »Ein Mörder ist hier locker für fünfzig Mark zu dingen.«
    Mensch, Sybille!, dachte ich. Wie blöd kann man sein! Raub, Mord und Entführungen von Europäern, die zigtausend Mark unterm Hemd haben, sind hier an der Tagesordnung! Das steht doch in jeder Zeitung! Klar, dass die sauer auf mich waren!
    Im prächtig ausgestatteten Bankgebäude war es still und vornehm, an der goldverzierten Decke mit den schweren Kronleuchtern surrte ein Ventilator. Khalid sprach mit verschiedenen Bankangestellten unterschiedlichster Rangordnung. Schwarze Augen taxierten mich, Köpfe wurden geschüttelt, und ich kam mir vor wie bei Gericht.
    »Ich möchte zwei Konten eröffnen«, sagte ich würdevoll. »Eines für das Projekt Katachel und eines für Dadgul privat.«
    Ein endloses Palaver entstand. Meine Herren!, dachte ich. Nun macht mal hinne, ich muss ja auch noch die Schulmöbel abholen. Wir sind ja nicht zum Vergnügen hier. Endlich, nach Stunden, waren die beiden Konten eröffnet.
    Auf das Katachel-Konto sollten genau zwei Personen Zugriff haben: Dadgul und Sher Mahmad, ein zweiter Vertrauensmann. Die beiden sollten einander vor Missbrauch schützen. Ich hatte das Geld gerade zum zweiten Mal unter dem Hemd hervorgeholt und in dicken Bündeln auf des

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