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Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Beamtenkind das Blaugelbe abgestaubt. Ich wollte schon wütend etwas hinter ihm herrufen, als mir einfiel, dass das Kind ja nichts dafür konnte, bevorzugt worden zu sein. So war das eben hier. Der Gerechtigkeitssinn hielt sich in Grenzen. Aber war das nicht bei uns auch so?
    Zum Abschied lud ich Dadgul und seinen Cousin Khaista Gol noch ins Greens zum Essen ein. Aus Solidarität mit Dadgul bestellte ich für uns alle drei Spaghetti.
    Khaista Gol fielen die Augen aus dem Kopf, als er das für unsere Verhältnisse doch eher schlichte Restaurant betrat. Gedeckte Tische (wenn auch mit Plastiktischdecke), kleine Blumenvasen (wenn auch mit Plastikblumen), Papierservietten und Besteck. Es war ungefähr so wie in einer ziemlich schäbigen Mensa einer deutschen Hochschule. Aber der Cousin hatte noch nie so vornehm gespeist: am Tisch. Mit Löffel und Gabel.
    Ich machte es ihnen vor: Elegant rollte ich drei Spaghetti mit der Gabel über dem Löffel auf und steckte sie mir ohne zu kleckern in den Mund. Dann nahm ich die Serviette und tupfte mir damit die Mundwinkel ab.
    »So, ihr Lieben. Jetzt ihr.« Ich lächelte damenhaft.
    Khaista Gol beäugte seinen Cousin, der ihm eine etwas andere Performance bot: Mit dem Löffel drückte er seine Spaghetti zu Brei und schaufelte sie sich rein. Immerhin beugte er sich dabei aber über den Teller, so wie ich es ihm eingebläut hatte. (Quatsch. Nett erklärt. Diesen Anblick ertrug ich seit Jahren!)
    Khaista Gol versuchte, es ihm nachzutun, denn das Essen mit dem Löffel war für ihn schon das Äußerste an Vornehmheit. Doch er beugte sich nicht über den Teller (wieso auch, es gibt ja Frauen die hinter einem herputzen), sondern saß mit dem Stuhl kippelnd weitab vom Tisch, ließ die Hälfte des Nudelmatsches auf Tisch, Stuhl und Boden fallen und schmatzte dabei wie ein khucki wahchi … ähm, also wie ein Wildschwein. Überall klebten Spaghettiwürmer, auch in seinem Bart und in seinen Mundwinkeln. Schon wieder sagte mein Appetit kurzfristig ab. Zum Henker mit unserer Henkersmahlzeit!
    Der Abschied von Khalid Wakili und Dr. Mirajan war mehr als frostig. Von wegen vielen Dank für Ihren unermüdlichen Einsatz und dafür, dass Sie unserem Landsmann ein menschliches Gesicht zurückgegeben haben und ihn wieder in seine Heimat eingliedern wollen. Im Gegenteil!
    Vor allem auf Dadgul waren sie richtig sauer. In ihren Augen hatte er mich für seine eigene Organisation abgeworben, was natürlich kompletter Schwachsinn war. (Dadgul wusste noch nicht mal, wie man »abgeworben« schreibt.) Letztlich waren die beiden einfach nur eifersüchtig und grün vor Neid.
    Am Flughafen drehte ich mich noch einmal zu Dadgul um, der sofort mit dem Wagen zurückfahren musste, weil es schon dunkel wurde.
    »Dadgul, du bist jetzt hier allein verantwortlich! Schaffst du das?«
    »Ja, Mama!«
    »Dass du mir regelmäßig schreibst!«
    »Ja, Mama!«
    »Und Bilder schickst, Dadgul, hörst du! Ich kann keine Patenschaften vermitteln, wenn es keine Fotos von Witwen und Waisen gibt!«
    »Ja, Mama!« Dadgul verdrehte die Augen.
    »Und du weißt, wie du an dein Geld kommst!«
    »Ja, Mama!« Er spielte genervt mit dem Autoschlüssel.
    »Zwei Konten, Dadgul, eines für dich privat und eines für Katachel!«
    »Mann, Mama! Ich bin doch nicht blöd!«
    »Also gut, Dadgul. Ich liebe dich.«
    »Ich dich auch, Mama.«
    »Pass auf dich auf.«
    »Du musst jetzt los. Guck mal, dein Flug ist schon aufgerufen!«
    »Vergiss mich nicht!«
    »Tu ich nicht.«
    » Khoda hafiz , Dadgul!«
    »Tschüs, Mama.«

18
    »So, liebe Sybille, jetzt bist du wieder zu Hause und ruhst dich mal ein bisschen aus. Schau, es ist Frühling, und die Sonne scheint. Leg dich doch auf die Terrasse und lies die Bunte oder Frau im Spiegel . Oder geh mal shoppen und kauf dir ein Sommerkleid.«
    Nein, so sprach Micki nicht. Auch nicht meine Eltern, und erst recht nicht meine Kinder.
    Obwohl ich mich jetzt intensiv um sie kümmerte, wussten sie ganz genau, dass das Ausruhen und Hände in den Schoß legen nicht meine Sache war.
    Nervös tigerte ich im Wohnzimmer auf und ab. »Wieso meldet sich Dadgul nicht?!«
    »Mama! Wenn Dadgul es schafft, meldet er sich schon!«
    Micki legte den Arm um mich. »Mach doch ein bisschen Urlaub von Afghanistan!«
    »Aber irgendwas muss ich doch tun! Die Not in Afghanistan macht doch auch nicht Urlaub!«
    Entschlossen griff ich zum Hörer und telefonierte. Wieder klapperte ich sie alle ab, die reichen Konzerne mit den großen Namen, die uns

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