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Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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kleine Schritte«, fuhr ich fort.
    Die anderen nickten. Günther nahm einen Schluck Limonade und verzog das Gesicht.
    »Was ich heute Abend alles für Allah tue!«, murmelte er.
    »Tu es nicht für Allah, tu es für Sybille!«, mahnte seine Frau.
    »Das fällt mir schon deutlich leichter«, sagte Günther verschmitzt.
    Ich sah, dass Micki vor Stolz errötete.

19
    »Mensch, Kinder, schaut doch mal! Die ersten Fotos von unserer Schule in Katachel!«
    Mit vor Aufregung zitternden Händen zerrte ich die Bilder, die Dadgul geschickt hatte, aus dem verknitterten Umschlag.
    »Schau nur, Mama, der Maurer hockt ja ohne Gerüst auf der dünnen Mauer!«
    »Schwindelerregend!« Vanessa kniff die Augen zusammen. »Wenn der da runterfällt!«
    »Der krabbelt von Ziegel zu Ziegel und pappt seinen Mörtel da drauf«, erklärte Simon seiner Schwester fachmännisch.
    Eine Rechnung für Ziegel und Holzsparren war auch mit dabei. »Zweitausend Mark.« Ich schnalzte mit der Zunge. »Dazu kommt noch der Lohn für die Arbeiter.«
    »Mama, jetzt mal im Ernst!« Simon baute sich vor mir auf. »Du zahlst den Arbeitern in Katachel auch noch Lohn dafür, dass sie für ihre eigenen Kinder eine Schule bauen?«
    »Schau, Simon.« Ich zog einen Stuhl heran und sah meinem Dreizehnjährigen ins Gesicht. »Was glaubst du, machen die Männer in Katachel den ganzen Tag?«
    »Nix? Rumlungern?« Simon zuckte mit den Schultern. »Hast du selbst erzählt.«
    »Und wie geht es ihnen dabei?«
    »Scheiße«, konterte Vanessa, mein kluges Mädchen. »Wenn man nix zu tun hat, ist das Leben langweilig.«
    Ich schenkte ihr einen anerkennenden Blick. »Und was macht es mit Männern, wenn sie nichts zu tun haben und nichts verdienen? Hm? Was glaubst du, wie sie sich ihren Frauen gegenüber fühlen?«
    »Scheiße?«, echote Simon.
    »Genau. Und was glaubst du, wie es ihnen geht, wenn sie Geld verdienen und ihren Frauen beweisen können, dass sie etwas schaffen?«
    Simon sah Vanessa und mich spitzbübisch an. »Spitze?«
    »Genau. Sie fühlen sich gut.«
    »Die haben ja nix gelernt, außer alles kaputtschießen«, gab Vanessa ihren Senf dazu. »Da ist alles wieder Aufbauen ja schon mal eine gute Alternative.«
    »Kluges Mädchen. Zumal es für die Bildung ihrer eigenen Kinder ist.«
    Ich zahlte den Arbeitern zwei Mark pro Tag. Das heißt, Dadgul zahlte. Aus unseren Spendengeldern. Zwei Mark waren für deren Verhältnisse ein kleines Vermögen.
    Wir vertieften uns wieder in die Fotos. »Und was ist das hier für ’ne hohe Mauer?« Simon zeigte mit seinem nicht ganz sauberen Fußballspielerfinger auf eines der Bilder. »Da könnte man prima gegen bolzen!«
    »Das ist die Purdah. Drei Meter hoch. Damit die Mädchen, nachdem sie ihre Periode bekommen haben, vor den Blicken der Männer geschützt sind.«
    Simon wurde rot. »Sieht man das denn?«
    Vanessa kicherte. »Blödmann! Dann sind sie geschlechtsreif!«
    »Iiiiih, bähhh!« Simon wandte sich ab. »Dann hab ich ja lauter geschlechtsreife Weiber in meiner Klasse sitzen! Wäh! Grässliche Vorstellung!«
    »Du Armer.« Ich tätschelte ihm den Rücken.
    »Die würde ich auch gern einmauern«, murmelte Simon, während er sich am Kühlschrank zu schaffen machte. »Nichts als kichernde, bescheuerte Weiber, die sich schminken und alberne Klamotten anziehen.«
    »Tja«, sagte ich, schob meinen Großen vom Kühlschrank weg und begann den Tisch zu decken. »Nicht alle Regeln des Islam sind blöd. Und jetzt wasch dir die Hände, mein Sohn!«
    »Frau Schnehage? Plastische Chirurgie Stuttgart. Oberarzt Dr. Rolf Bublitz. Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass wir mit Dadguls Nase weitermachen können.«
    »Oh. Ja. Ähm. Das ist – wunderbar.«
    »Kümmern Sie sich um das Visum?«
    »Selbstverständlich.«
    »Und um seine Unterbringung für den Zeitraum der nächsten Operationen?«
    »Ja. Klar. Natürlich. Er kann wie gehabt bei uns wohnen.«
    »Sie holen ihn also übermorgen vom Frankfurter Flughafen ab?«
    »Ähm … Sicher.« Wie ich das auf die Schnelle machen sollte, war mir ein Rätsel.
    »Ah! Ich habe eine Idee! Ein Freund von Micki arbeitet doch direkt unter dem Vorstand bei VW , der ist mir noch einen Gefallen schuldig!«
    »Wie auch immer Sie das organisieren, gnädige Frau.« Ich hörte den Professor leise hüsteln. »Wir verlassen uns auf Sie.«
    »Geht klar, Herr Professor, ich habe bereits einen Chauffeur!«
    Fröhlich legte ich auf. »Kinder! Übermorgen kommt Dadgul! Wir müssen sein Zimmer putzen! Vanessa, hol

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