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Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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frische Bettwäsche aus der Kommode!«
    Die Kinder, die gerade am Küchentisch über ihren Hausaufgaben saßen, waren hin- und hergerissen: Einerseits hatten sie Dadgul ins Herz geschlossen und sich an ihn gewöhnt. Andererseits würden sie mich wieder mit ihm teilen müssen.
    »O MANN, eh!«, murmelte Simon und klappte sein Mathebuch etwas zu heftig zu. »Dann bist du ja wieder nur noch mit Dadgul zugange!«
    »Simon, schäm dich!« Vanessa zeigte mit ihrem Pelikanfüller anklagend auf ihn. »Wenn du so verletzt wärst und ein armer Flüchtling!«
    »Ach, Scheiße, eh! Bin ich aber nicht!«
    »Kinder, bitte streitet euch nicht!« Ich nahm Simon den Radiergummi weg, den er gerade wütend malträtierte. »Simon. Ich verstehe dich. Du bist gerade in einem schwierigen Alter …«
    »Quatsch. Bin ich nicht.« Wütende Blicke trafen mich.
    »Ich verspreche dir, dass ich diesmal viel weniger Zeit für Dadgul brauche«, versuchte ich meinen Dreizehnjährigen zu trösten. »Sieh mal. Er kann schon mit Messer und Gabel essen, Auto fahren, er spricht perfekt Deutsch …«
    »Ja, ja«, blaffte Simon mich an. »Aber wer fährt denn wieder mit ihm nach Stuttgart und sitzt an seinem Krankenbett, wenn nicht du?«
    Ich sah ihn überrascht an. »Ja.« Ratlos zuckte ich mit den Schultern. »Das ist eine berechtigte Frage. Wer, wenn nicht ich?«
    »O bitte, Daniel! Nicht so schnell!« Daniel war der Fahrer von VW.
    In Panik klammerte ich mich an den Mutti-Haltegriff. Wie eine Briefmarke klebte ich auf dem Beifahrersitz seines Geschosses und fächerte mir mit der freien Hand Luft zu. Der Kerl raste ja wie eine Rakete!
    »Wieso, du willst doch pünktlich in Frankfurt sein?«
    Um drei Uhr morgens waren wir losgedüst, damit Dadgul bloß nicht allein dastand, wenn er dann endlich wieder gelandet war. Meine Vorfreude auf ihn war grenzenlos. Wie es ihm wohl ging? Wie würde er aussehen? Was hatte er zu berichten? Er, sein Leben, sein ganzes Umfeld – all das war sozusagen »mein Baby«.
    Andere hegen und pflegen einen Schrebergarten, ich hegte und pflegte ein ganzes afghanisches Dorf.
    »Bitte, Daniel, rase doch nicht so!«
    »Ich rase nicht, ich fahre zügig.«
    »Wenn wir Pech haben, hat die Maschine aus Islamabad sowieso wieder zwölf Stunden Verspätung.« Das war bei Maschinen aus Pakistan keine Seltenheit. Dann würde ich das Vergnügen haben, mit einem missgelaunten Daniel am Frankfurter Flughafen herumzuhocken.
    » WAS ?« Daniels Kopf schnellte zu mir herüber. In seinem Gesicht stand die nackte Panik.
    »Ich habe dir versprochen, dich nach Frankfurt und zurück zu fahren, aber heute Abend will ich bei meiner Freundin sein! Mann, wir haben heute Dreijähriges!«
    Daniel war jung und – wie alle seine Altersgenossen – hauptsächlich mit sich beschäftigt.
    »Ist ja schon gut, Daniel!« Ich atmete hörbar ein, weil wir gerade mit zweihundert Sachen einen Porsche überholten. Meine Fingerknöchel traten schon weiß hervor. »Bestimmt ist die Maschine pünktlich!«
    Und das war sie auch! »Islamabad: gelandet!« Juhu! Aufgeregt warteten wir bei Ankunft C im Terminal 2. Ich hüpfte erwartungsvoll auf und ab. Immer wenn sich die Glastür öffnete, hoffte ich Dadguls vertrautes Gesicht zu entdecken. Aber zuerst kamen die Geschäftsmänner in ihren maßgeschneiderten Anzügen, die in der Business Class gereist waren.
    »Frau Schnehage! Na so was! Das ist ja eine Überraschung!« Ein gut aussehender Afghane in feinstem Zwirn ließ seinen Begleiter stehen und umarmte mich kleine Mutti im Anorak. Dazu musste er sich richtig tief bücken.
    »Hallo, Rohan«, sagte ich cool. »Wie geht’s?«
    »Gut, ich fliege gerade einen Diplomaten ein, und …« Sein Blick wanderte fragend zu Daniel hinüber.
    Ich machte die Herren miteinander bekannt.
    »Das ist der afghanische Botschafter, und das ist mein Fahrer Daniel.«
    Daniel, mein Kamikazefahrer, war schwer beeindruckt. »Was du für Leute kennst, Sybille!«
    »Na ja«, winkte ich bescheiden ab. »Die einen sagen so, die anderen so.«
    Nach und nach quollen die echten Afghanen und Pakistani aus dem Ausgang, Anzüge wichen langen weißen Hemden, Aktentaschen Plastiktüten, perfekt geschnittene Frisuren Turbanen. Und ganz am Schluss, als ich schon glaubte, er hätte den Flug verpasst, kam mein Dadgul angelatscht.
    Ich zuckte zusammen. Er war wieder schrecklich abgemagert, sein Gang war so schleppend wie damals, und als er näher kam, musste ich nach Luft schnappen.
    »Mein Gott, Dadgul! Du

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