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Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Auto als auch die Beifahrerin). Nach fünfhundert Metern war die Fahrt endgültig zu Ende. Ein lauter Knall, gefolgt von Zischen, und der Motor hatte sich verabschiedet. Aber Sybille verstand ja nichts davon.
    »Toll, Dadgul. Ganz toll.«
    Kommt alle her, ihr Taliban, hier gibt es was zu holen!, dachte ich grimmig.
    »Scheiße, Mama«, jammerte Dadgul »Scheiße! Hätte ich doch auf dich gehört!«
    »Ach, Dadgul! Was nützt uns das jetzt!«
    »Und nun?« Dadgul schaute hektisch auf seine Wolfsburger Armbanduhr.
    »Gleich fünf. In einer Stunde ist es stockdunkel! Wir müssen hier weg!«
    »Inshallah« , sagte der Fahrer und warf die Hände in die Luft. »Inshallah!«
    Wir holten unsere Rucksäcke aus dem Wagen und stellten uns an den Straßenrand. Trampen wollte ich schon immer mal wieder.
    »Da!« Ich traute meinen Augen nicht! Ein militärfarbener Geländewagen mit der Aufschrift »German NGO « kam den Berg herunter und fuhr direkt auf uns zu! Allah hatte ihn uns geschickt!
    »Das sind Deutsche!« Ich sprang aufgeregt auf und ab und winkte und schrie: »Juhuu! Deutschland vor, noch ein Tor! VfL Wolfsburg!«
    Die Insassen winkten zurück, kurbelten die Scheibe herunter, und schon segelte mir ein Geldschein vor die Füße. Ein schmuddeliger Afghani im Wert von etwa zwei Cent.
    Sprachlos starrte ich ihnen nach.
    »Was war denn DAS ?« Ich spürte, wie mir der letzte Rest Farbe auch noch aus dem Gesicht wich.
    »Sie halten uns für Straßenkratzer«, erklärte Dadgul achselzuckend.
    »Für WAS ?«
    »Na ja, die Straßen werden hier von armen Leuten mit Schutt oder Kies mit der Schaufel oder den bloßen Händen provisorisch ausgebessert. Zum Dank werfen die Straßenbenutzer ab und zu mal ein Scheinchen aus dem Fenster.«
    Okay, Sybille. Jetzt musst du ganz tapfer sein. Allah hat da irgendwas missverstanden.
    Wir liefen los. Vier Kilometer ins nächste Dorf: Sarobi. Die Dämmerung war uns dicht auf den Fersen, wir schafften es gerade noch vor Einbruch der Dunkelheit. Dadgul suchte einen Autovermieter. Verstohlen öffnete ich wieder meinen Dollargürtel. Dadgul machte einen klapprigen Kleinbus klar.
    »Wozu brauchen wir einen Zehnsitzer?«
    »Frag nicht, er hat nichts anderes.«
    »Fertig?«
    »Los!«
    Dadgul steuerte das Gefährt, und ich atmete tief durch. Inzwischen war finsterste Nacht. Keine Lichter, nirgendwo. Dafür eine kurvenreiche, unübersichtliche Schotterpiste voller Schlaglöcher, Steine und anderer Hindernisse: Kaputte Autos standen mitten auf der Fahrbahn. Hier und da eine magere Kuh und das Gerippe eines verendeten Tieres. Noch hundertsechzig Kilometer bis zur pakistanischen Grenze. Durchatmen, Sybille, tief durchatmen!
    »Wir könnten was singen, Dadgul. Him-mel und E-herde müssen vergehn! Los, jetzt du, im Kanon! – Was ist los? Warum bremst du?«
    Nein, diesmal saß kein Bussard auf der Straße, der gerettet werden wollte. Diesmal waren es acht Taliban. (Es heißt übrigens ein Talib und zwei Taliban; das »-an« ist die Mehrzahlendung – das machen unendlich viele Leute, vor allem Journalisten, gern falsch.)
    Mit finsteren Bärten, schwarz gekleidet, schwarze Kalaschnikows im Anschlag. Und sie sahen nicht so aus, als wollten sie mit uns im Kanon singen. Jetzt standen sie breitbeinig mitten auf der Straße und zwangen uns zum Anhalten.
    O Gott!, dachte ich und spürte, wie meine Zähne aufeinanderschlugen. Sybille, das war’s. Sie werden dich verschleppen, vergewaltigen, verscharren, vergessen. Dein Leben ist hier keinen Pfifferling wert. Meine Kinder werde ich nie wiedersehen. Micki auch nicht. Noch nicht mal Asa, unsere kurzbeinige Dackelhündin!
    »Dadgul, ich mach mir in die Hose vor Angst!«
    »Klappe!«
    Dadgul kurbelte die Scheibe herunter, diskutierte mit den finsteren Kerlen.
    »Was wollen sie?«, flüsterte ich mit blutleeren Lippen.
    »Mitfahren. Ist das okay für dich?«
    Ich zwang mich zu einem Lächeln. »Ja, ähm … Klar. Rücken wir ein bisschen zusammen!« Ich griff nach meinem Rucksack und stellte ihn auf meinen Schoß.
    Die nach Schweiß und Schießpulver riechenden Männer kamen ins dunkle Auto gekrochen. Der marode Zehnsitzer ging in die Knie.
    »Hallo erst mal!« Ich streckte ihnen die Hand hin und zog mein Kopftuch tiefer. »Ich bin die Sybille Schnehage aus Bergfeld, und das hier ist der Projektleiter der Hilfsorganisation Katachel – raisi az moussessa Katachel , Dadgul.«
    Ich staunte, wie mir die Dari-Brocken trotz (oder wegen?) meiner Todesangst aus dem Mund

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