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Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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kullerten, als hätte ich nie etwas anderes gesprochen. »Schönes Wetter heute, findet ihr nicht?« In Gedanken fuhr ich fort: Wir waren gerade am Kanonsingen – Himmel und E-herde müssen vergehn, aber die Ta-li-ban, aber die Ta-li-ban, aber die Ta-li-ban bleiben bestehn!
    Die Taliban-Brüder fuhren mit uns bis nach Djalalabad, bedankten sich und stapften davon.
    »Mensch Mama, das ist ja noch mal gut gegangen!«
    Aber der Horrortrip war noch nicht beendet. Es sollte noch dicker kommen.
    »Wir können beim Bürgermeister pennen, der kommt ursprünglich aus Katachel, ist also Familie!«, erklärte Dadgul.
    In der guten Stube des Bürgermeisters, sprich in seinem Hinterzimmer, wimmelte es von Frauen, die mich anfassen wollten. Sie stürzten sich lachend und schwatzend auf mich, hoben meine Tücher und Röcke, fuhren mir mit ihren hennagefärbten Händen durchs Gesicht und kamen mir so nahe, dass ich ihren Atem riechen konnte. Dabei schrien sie mir mit ihren schrillen Stimmen ins Ohr, dass ich fast einen Tinitus bekam. Stress pur, dabei hatte ich heute schon genügend Adrenalinstöße gehabt.
    »Dadgul! Sag ihnen, sie sollen weggehen!«
    Dadgul schaute nur flüchtig um die Ecke. »Das ist das Frauenzimmer! Da darf ich nicht rein!«
    »Was WOLLEN die denn von mir?« Zwanzig Hände zerrten an meiner Kleidung, lösten Schnallen, öffneten Knöpfe, zogen am Reißverschluss meiner Hose.
    »Huch! Wenn mich die Taliban nicht vergewaltigt haben, sollen DIE das bitte auch nicht tun!«
    »Die sind nur neugierig«, rief Dadgul durch den Türspalt.
    »Auf WAS ?!«
    »Ob du überall blond bist!«
    » DADGUL !«
    »Du hast einen weißen Körper!«
    »Der stinkt wie ein Aal!«
    »Das ist denen egal!« Dadgul kicherte schadenfroh, die Teetasse in der Hand.
    »Sie wollen dich nackt sehen!«
    » WAS ?«, quiekte ich in höchster Todesnot. »Ich denke, die sind hier alle so prüde?!«
    »Nicht, wenn sie unter Frauen sind!«
    Wo er recht hatte, da hatte er recht: Zwanzig Hände strichen mir über die Schultern, über die Haare, über … Ähm, ja, was sollte das denn! Ich versuchte, meinen BH wieder über die Brüste zu ziehen, aber sie lachten sich kaputt.
    »Lass sie einfach, sie hören dann schon wieder auf«, meinte Dadgul, bevor er die Tür ganz schloss. Klar. ER wollte das ja auch nicht sehen. Da hatte Mohammed ja was dagegen.
    Aber die Frauen gaben nicht eher Ruhe, bis ich splitternackt vor ihnen stand und sie mich alle gründlich abgetastet hatten.
    Natürlich. Zärtlichkeiten und Streicheleinheiten bekamen die von ihren Männern vermutlich viel zu wenig. Das war Frauensache und für sie weder peinlich noch anrüchig. Frauen untereinander durften das. Nur mit Männern war es Sünde.
    »Ist es jetzt gut? Ich will endlich schlafen! – Mama ist müde!«, sagte ich auf Dari, was den Weiberhaufen zu schrillem Gelächter hinriss. Endlich, endlich ließen sie von mir ab. Ich legte mich auf das Lager aus bunt bestickten Decken und Kissen, das man mir bereitet hatte.
    Meine ersten Tage in Afghanistan. Und bis auf Weiteres auch meine Letzten.

24
    Zwei Jahre später probierte ich es wieder. Die Taliban waren immer noch an der Macht, aber zu mir waren die Jungs ausgesprochen nett gewesen!
    Ich war aber auch gut vorbereitet. Über einen Exilafghanen in Wolfsburg hatte ich Kontakt zu dem in Frankfurt lebenden geheimen Talibanbotschafter Nekmal aufgenommen, ja ihn sogar in seiner Sozialwohnung in der Niddastraße besucht. Es konnte nicht schaden, mit einem Talib Freundschaft zu schließen. Kennst du einen, kennst du alle, dachte ich, als ich durch das heruntergekommene Bahnhofsviertel stiefelte, wo es vor finsteren Gestalten und Prostituierten vor Spielhallen nur so wimmelte. Vor seiner Haustür hingen Drogensüchtige herum, und mir war wirklich nicht wohl. Aber es ging hier nicht um mich, sondern um die Mädchen in Katachel, die ich zwar noch nie gesehen hatte (außer auf Hunderten von Fotos!), für die ich aber inzwischen so etwas wie Muttergefühle hegte. Eigentlich wollte ich Bruder Talib nur bitten – na ja, auffordern, »meine« Mädchen in Katachel weiter zur Schule gehen zu lassen. Unter der Talibanherrschaft hatte sich das gründlich geändert: Mädchen wurden verschleiert, versteckt, eingeschlossen, und ich wollte ihnen ihre mühsam erworbene Freiheit zurückgeben. Deshalb beschloss ich, mal unter vier Augen mit dem Talibanbotschafter zu sprechen.
    Klopf, klopf! »Hallo? Nekmal? Ich bin’s, Sybille Schnehage aus Bergfeld!«
    Der

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