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Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Cousins Khaista Khan. Sie war ständig schwanger, seit elf Jahren, ohne Unterbrechung. Sie war eine bildhübsche, freundliche Frau, die ständig Palau kochte, jeden Tag, morgens, mittags und abends. Ein Kind im Bauch, eines auf dem Schoß und eines an der Hand. Die anderen Kinder halfen ihr oder schwirrten einfach um sie herum. Lahta war mit diesem Leben glücklich. Khaista Khan, ihr Mann, genoss in Katachel hohes Ansehen, schließlich war er der Cousin von Kommandante Dadgul und versorgte sie. Das reichte ihr. Den Hof verlassen? Nö, warum denn? Sie hatte doch alles. Ansehen, Kinder und Palau. Was wollte sie mehr?
    Unvorstellbar, diese Lebensweise!, ging es mir durch den Kopf. In Deutschland schaut man auf Frauen herab, die »nur Hausfrau« sind, Unmengen von Kindern zu haben gilt als asozial. Hier war es das Größte, was einer Frau widerfahren konnte. Allah hatte es gut gemeint mit Lahta.
    Nach nur wenigen Tagen hieß es für mich wieder Abschiednehmen, Abschied von meinen neuen Freunden. Aber zu Hause wartete jetzt noch mehr Arbeit auf mich, denn wir brauchten Geld zum Helfen, Geld und nochmals Geld, und das wollte erst mal gesammelt werden, natürlich von mir.
    Ich tat, was ich konnte … bis eines Tages die Nachricht kam, dass die New Yorker Twin Towers von Flugzeugen zerstört worden waren. Osama Bin Laden agierte von Afghanistan aus, Amerika sagte den Taliban den Kampf an, es kam zum Kampf um Kunduz – oh, was hatte ich für eine Angst, die schöne neue Schule in Katachel könnte durch Bomben zerstört werden!
    Aber wir hatten Glück, alles war gut gegangen. Und so konnte ich schon sechs Wochen nach den Kämpfen nach Kabul fliegen und erreichte nach einer abenteuerlichen Fahrt über den Hindukusch und den Salangpass mein geliebtes Katachel. Die Zeit der Taliban war vorbei, alle versuchten sich weltoffen zu zeigen – in Kunduz herrschte Aufbruchstimmung. Die Menschen dort beschworen immer wieder die Deutsch- Afghanische Freundschaft und schilderten die Zukunft ihrer Heimat in den glühendsten Farben.

26
    »Mama, wir müssen dir was zeigen.« Dadguls Miene verriet nichts Gutes.
    »Die Hoftür von Cousin Khaista Khan ist gewaltsam geöffnet worden, unser Verein wurde ausgeraubt!«
    Ich spürte, wie alle Farbe aus meinem Gesicht wich.
    »Wir wissen auch, wer es war! Leute von General Safi, ein Mitgeneral von General Farid!«
    »Wer ist das denn?«
    »Sie haben alles mitgehen lassen, was sie für wertvoll gehalten haben und Geld, ungefähr fünftausend Dollar, deine Fotos und Papiere, die Witwenlisten!«
    »Regierungsleute? Spinnen die? Was wollen die damit?« Ich stemmte die Hände in die Hüften und atmete scharf ein.
    »Ja, aber das ist noch nicht das Schlimmste! Sie haben auch unseren neuesten Geländewagen mitgehen lassen!«
    »Verdammt! Wie konnte das passieren?!« Wutschnaubend überzeugte ich mich mit eigenen Augen davon, dass das Auto weg war. »Wie kommen die dazu?«
    »Raubüberfälle sind hier leider an der Tagesordnung!« Dadgul und seine Cousins zuckten erschöpft die Schultern. »Wir können schon froh sein, dass sie unsere Frauen und Mädchen nicht mitgenommen haben.«
    »Ja, aber das lassen wir uns doch nicht gefallen!« Wütend packte ich ein paar Sachen zusammen. »Dadgul, wir fahren jetzt sofort nach Kabul zum Außenministerium und fordern unsere Sachen zurück! Niemand darf eine ausländische Hilfsorganisation berauben, weder sowjetisches Militär noch die Taliban noch Regierungstruppen!«
    Dadgul staunte nicht schlecht.
    »Aber dir wird wieder schlecht, Mama!«
    »Ich weiß.« Ich schüttelte mich. »Aber wenn wir nicht sofort reagieren, denken sie, dass sie alles mit uns machen können! Und das können sie NICHT ! So wahr ich Sybille Schnehage heiße!«
    Dadgul und seine Leute starrten mich an.
    »Los, Dadgul! Worauf wartest du noch?«
    »Ähm … auf nichts?!«
    Ja, Dadgul war es nicht gewöhnt, dass ein Weib Entscheidungen traf und sie dann auch umsetzte! Ein Mann, ein Wort. Eine Frau, eine Tat? Nicht in Afghanistan.
    Ich wurde ungeduldig. »Dadgul, so langsam müsstest du mich doch kennen!«
    Also knatterten wir los. Dadgul, sein Fahrer und ich. In einem Auto, das Cousin Khaista Gol uns leihweise zur Verfügung gestellt hatte. Die Fahrt dauerte wieder acht Stunden und war mitnichten ungefährlich. Aber diesmal dampfte nicht nur das Auto, sondern auch ich. Vor Wut. Ich ließ mir doch nicht das Auto klauen!
    In Kabul angekommen, saß irgend so ein Muselmann vor seinem Teeglas und seiner

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