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Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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erweichen lassen und bestand darauf, dass wir unsere Scheißkarre selbst abholten.
    Also tat ich mir noch mal den fürchterlichen Salangtunnel an.
    Sybille, du wolltest es nicht anders!, hörte ich Mickis Stimme in meinem Kopf. In Bergfeld ist es dir ja zu langweilig. Aber es wäre nett, wenn du zur Silberhochzeit nach Hause kommst.
    In Kabul hing das einzige noch funktionierende Telefon in irgendeinem Amt an der Wand eingemeißelt. Ich riss den Hörer von der Gabel und wählte mit zitternden Fingern.
    Zu Hause nahm Vanessa den Hörer ab. Mit bänglichem Stimmchen piepste sie »Hallo?« in den Hörer. Sie schien die Hiobsbotschaft bereits zu erwarten. Ich schluckte einen riesengroßen Kloß herunter.
    »Ich bin’s, deine Mama! Wollte nur sagen, es geht mir gut!«
    »Oh, Mama!« Vanessa brach in Tränen aus. »Omaaaaa! Die Mama lebt noch!«, gellte es an mein Ohr.
    »Ja, aber klar, mein Liebling! Unkraut vergeht nicht! Das weißt du doch!«
    »Oh, Mama, es kam gestern in den Nachrichten! Wir haben alle gedacht, du bist tot!«
    Vanessa schluchzte so sehr, dass ich kaum noch etwas verstand.
    »Beruhige dich, mein Schatz! Ich bin noch da! Und sag deinem Vater, ich komme zur Silberhochzeit nach Hause!« Mir reicht’s hier fürs Erste!, dachte ich. Wir holen uns jetzt den Wagen wieder, und dann brauch ich erst mal eine Pause. Meine arme Familie! Das hatte sie echt nicht verdient, durch meine Eskapaden in solche Panik versetzt zu werden.
    Morgen würde ich abreisen und Dadgul mit unserem Geländewagen zurückschicken.
    Als wir erneut bei dem Beamten im Außenministerium vorsprachen, musste ich mich schwer zusammenreißen.
    »Hör zu, Junge, der Wagen hat fünfzehntausend Dollar gekostet!«, tobte ich. »Den habe ich von einem Autohändler in Kabul gebraucht gekauft, hier, bitte sehr!« Ich schlug mit der Hand auf die Quittung. »Da steht es schwarz auf weiß, er gehört rechtlich Katachel e . V., und ich will das Auto jetzt verdammt noch mal wiederhaben!«
    Das hörte der General gar nicht gern. Aber er war es auch nicht gewohnt, von einer Frau dermaßen plattgemacht zu werden. Von einer AUSLÄNDISCHEN Frau.
    »Im Verteidigungsministerium.«
    Ich sah ihn verständnslos an.
    »Da steht der Wagen!«
    »Ja, verdammt, das hätte er doch letzte Woche schon sagen können!«
    Dadgul und ich eierten mit Fahrer Monaf quer durch die Stadt Kabul, und wer saß im Verteidigungsministerium und wartete auf uns? Genau. General Safi himself . »General« Safi war übrigens ein Jüngelchen. Keine fünfundzwanzig. So einen verspeiste ich normalerweise zum Frühstück.
    Das war also der Kerl, der uns das Auto geklaut hatte. Wer hat dich denn erzogen?, dachte ich sauer. Ich jedenfalls nicht. Nur weil er eine Uniform anhatte, glaubte er, sich so etwas herausnehmen zu können. Aber nicht mit mir, Sybille Schnehage!
    »Also? Kann ich jetzt meinen Wagen wiederhaben?« Auffordernd streckte ich die Hand aus in der Erwartung, er würde mir die Autoschlüssel hineinlegen.
    »Warten Sie draußen.«
    Wieder wurde ich rausgewinkt. Immerhin war das Wartezimmer des Verteidigungsministers ein echter Nobelschuppen: tiefe schwarze Ledersessel und Sofas, die Wände vertäfelt mit besten Echtholzpaneelen. Hier ließ es sich aushalten.
    »Donnerwetter!«, entfuhr es mir. »Hier sind also die afghanischen Steuergelder.«
    Die gepflegte Atmosphäre löste ein sofortiges, sehr menschliches Bedürfnis bei mir aus. »Dadgul, ich nutze die Gunst der Minute …« Suchend sah ich mich um.
    »Eine Damentoilette gibt’s hier nicht!«
    »Dann geh ich eben auf die Herrentoilette! Aber du musst draußen stehen und Wache halten!«
    Die »Herrentoilette« in diesem feinen Etablissement war ein stinkendes Loch. »Ja, wie jetzt?! Und wo sind die goldenen Klobrillen?«
    »Mach hinne!«, drängte mich Dadgul besorgt.
    »Wo hinne?!« Angeekelt suchte ich verzweifelt nach einer Öffnung, die noch nicht verstopft war, oder einer trockenen Stelle. Überall stand die stinkende Soße.
    »Na, irgendwohin! Wo die Minister und Generäle auch hinmachen!«
    Jaja, dachte ich. Aber die können im Stehen. Genervt raffte ich meine Röcke und hockte mich mitten in die trübe Lache. Normalerweise war ich Weltmeisterin im Einhalten, aber jetzt ging gar nichts mehr. »Außen hui, innen pfui«, murmelte ich verächtlich, während ich meinem Harndrang freien Lauf ließ. »Oh, Mensch, Dadgul, und wo soll ich mir jetzt die Hände waschen?«, rief ich anschließend verzweifelt und verließ den Ort des

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