Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
Vom Netzwerk:
Grauens.
    Dadgul reichte mir einen Zipfel meiner Pluderhose. »Hier abwischen.«
    »Na toll, Dadgul! Aber jetzt holen wir uns unser Auto, und dann nix wie weg …«
    Im noblen Wartezimmer standen auf einmal zwei Kerle, die gar nicht afghanisch gekleidet waren. Sie trugen weder Pluderhosen noch Turbane, sondern schwarze Lederjacken. Fast hätte ich sie vor den schwarzen Ledersesseln gar nicht gesehen. Sie sahen nicht so aus, als wären sie zum Spaßen aufgelegt. Noch ehe ich einen klaren Gedanken fassen konnte, packten mich zwei Paar Männerhände und setzten mich unsanft vor die Tür.
    »Dadgul!«, schrie ich voller Angst. »Sag ihnen, sie sollen mich loslassen!«
    Doch Dadgul wurde gerade selbst vor die Tür gezerrt.
    »He, was soll das?! Wir sind im Recht! Das ist UNSER Auto«, schrie ich verzweifelt. Was dieses unverschämte General-Safi-Bürschchen sich da erlaubte!
    Vor meinen Augen wurde Dadgul in ein Militärfahrzeug mit vergittertem Fenster gestoßen und weggefahren. Sein angsterfülltes Gesicht brannte sich förmlich in meine Netzhaut ein. Ach, Sybille! Hättest du doch klein beigegeben!, dachte ich kleinlaut.
    »He! Wo fährt er hin?«
    »Sie kommen mit uns!«
    Ich selbst hatte immerhin die Ehre, in einer Limousine mit schwarz verspiegelten Fenstern Platz nehmen zu dürfen.
    Noch während die Männer draußen Befehle erhielten, riss ich einen Zettel aus meinem Notizblock und kritzelte in zittrigen Buchstaben darauf: »Hilfe, ich werde verhaftet!« In letzter Minute konnte ich ihn Monaf, dem Fahrer, der draußen stoisch gewartet hatte, vor die Füße werfen. » Baraye sefarate almand – für die deutsche Botschaft«, rief ich ihm zu, » Tez , schnell«.
    Ohne Monaf hätte ich im Geheimdienstgefängnis meinem sicheren Ende entgegengesehen. Denn dorthin fuhr man mich, und ich musste mitansehen, wie Dadgul hineingestoßen wurde. Als er sich suchend nach mir umdrehte, bekam er mit voller Wucht einen Polizeiknüppel in sein gerade erst halbwegs wiederhergestelltes Gesicht.
    »Dadgul!« Verzweifelt streckte ich die Arme nach ihm aus, aber er verschwand hinter einer rostigen Eisentür, die quietschend hinter ihm ins Schloss fiel.
    Vor lauter Panik bekam ich kaum noch Luft.
    »Wir haben doch nichts gemacht, wir wollen doch nur unser Auto …«
    Umsonst. Und ich? Was geschah jetzt mit mir? Zu meiner großen Verwirrung wurde ich wieder in die Limousine gedrückt, flankiert von den beiden Ledermännern, die nicht bereit waren, mit mir zu sprechen, und finster nach vorn blickten. Ich versuchte ruhig zu atmen. Nervös rang ich die Hände.
    Immerhin brachten sie mich zurück zum Außenministerium. Dort wurde ich von weiteren Geheimdienstmitarbeitern verhört wie eine Schwerverbrecherin. Suchend blickte ich mich um. Von General Safi keine Spur.
    »Hallo? WIR sind die Guten!«, kämpfte ich verzweifelt für die Wahrheit. »Wir holen nur unser EIGENTUM wieder ab! Es handelt sich um Hilfsgüter! Für IHR Land! Ich will HELFEN !!«
    Mitten in dieses Chaos platzte ein Sicherheitsbeamter der Deutschen Botschaft, den Monaf alarmiert hatte. Allah sei Dank, das war meine Rettung!
    »Es ist gut, Jungs! Lasst die Frau los. Ich kümmere mich um sie.« Vor Erleichterung schossen mir Tränen in die Augen.
    Der Sicherheitsbeamte schüttelte nur den Kopf, als ich schließlich in seinem Auto saß:
    »Ja, sind Sie wahnsinnig, gute Frau! Sie fliegen morgen nach Hause, damit das hier alles ein Ende hat!«
    »Geht nicht!« Ich schüttelte trotzig den Kopf. »Ich lasse Dadgul nicht im Stich.«
    »Wer ist Dadgul?«
    »Mein Pflegesohn und Vertrauter. Er würde mich auch nicht im Stich lassen.«
    »Aber Sie können nichts für ihn tun!«
    »Wird er etwa – gefoltert?« Mir stand der kalte Schweiß auf der Stirn. Das durfte doch nicht wahr sein! »Zig Operationen in vier Jahren!«, wimmerte ich. »Sie werden ihn doch nicht wieder ins Gesicht schlagen? Der ganze Mann besteht doch nur noch aus Narbengewebe!«
    Der Sicherheitsbeamte zuckte die Achseln. »Wer sich in die Höhle des Löwen begibt, darf sich nicht wundern, wenn er seine Zähne zu spüren kriegt.«
    »Aber wir wollten doch nur …«
    »Gute Frau, Sie sind hier in Afghanistan. Hier mag man es gar nicht, wenn sich Ausländer in nationale Angelegenheiten einmischen.«
    »Aber das ist auch MEINE Angelegenheit …«
    »Und schon gar keine FRAUEN ! Sie fliegen morgen! Islamabad–Frankfurt! Hier!« Er hielt mir sein Satellitentelefon hin. »Sie können zu Hause anrufen, damit jemand Sie

Weitere Kostenlose Bücher