Drachenklänge
Sie brach ab und streifte die betrunkene Weyrherrin mit einem angewiderten Blick.
F'lon, R'gul und S'lel bemühten sich, Jora mit starkem Klah aufzuwecken, doch ständig kippte sie vom Stuhl und musste erst in eine aufrechte Haltung ge-308
bracht werden, damit man ihr das belebende Getränk einflößen konnte.
Heiler Tinamon, der bei dem Unterfangen half, Jora auszunüchtern, äußerte eine vage Vermutung. »S'loner mag zwar rüstig ausgesehen haben, aber er litt häufig an Schmerzen in der Brust. Ich versorgte ihn mit dem üblichen Medikament, aber ich riet ihm, einen Meisterheiler hinzuzuziehen oder sich in der Heilerhalle behandeln zu lassen. Er versprach, er würde sich nach der Gegenüberstellung mehr um seine Gesundheit
kümmern.«
Doch das erklärte nicht, wieso Maidir S'loner auf diesem verhängnisvollen Flug begleitet hatte. Lady Hayara mutmaßte, ihr Gemahl sei erschöpft gewesen, wollte sich vielleicht nach Benden fliegen lassen und habe S'loner um diesen Freundschaftsdienst gebeten.
»Ach, bitte, könnte mich wohl jemand jetzt gleich zur Burg bringen?« fragte sie dann. »Möglicherweise hält sich Maidir dort auf und kann uns alle Fragen beantworten.«
R'gul erbot sich, den Transport zu übernehmen, und das stille Weyrmädchen, das sich zuvor mit S'loner unterhalten hatte, war so umsichtig, ihr die warme Reitjacke umzulegen. Lady Hayara wurde in den düsteren Kraterkessel geführt, wo der immer noch klagende Hath wartete.
C'rob, M'ridin und C'vrel, die ältesten Geschwaderführer, hielten eine Konferenz ab, und F'lon stellte sich zu ihnen, als habe er ein Anrecht auf Mitsprache. Offensichtlich waren die Geschwaderführer anderer Meinung.
»Die Entscheidung darüber fällt beim nächsten Paarungsflug, F'lon. Lass uns also keine voreiligen Schlüsse ziehen«, kanzelte M'ridin den jungen Burschen ab.
»Und so, wie Jora sich anstellt, kann das noch ein paar Planetenumdrehungen dauern.«
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»Ich schlage vor, den Weyr von allen Besuchern zu räumen«, meinte C'rob. »Die Gegenüberstellung ist vorbei.«
»Und belastet durch ein Unglück, das unabsehbare Folgen nach sich ziehen kann«, ergänzte C'vrel kopfschüttelnd.
»Die Drachen müssen beschäftigt werden, das ist
das Einzige, was ihnen jetzt hilft«, fuhr M'ridin fort.
»Aber seid ja vorsichtig, wenn es um die Erfassung der Zielorte geht. Es kommt auf absolute Präzision der Koordinaten an.«
»Wäre es nicht besser, die Leute noch ein Weilchen bleiben zu lassen …« überlegte C'vrel.
»Nein. Der Weyr muss seinen Verlust betrauern,
und dazu müssen wir unter uns sein«, lehnte C'rob ab.
»Ich bitte nur die älteren, erfahrenen Reiter, die Gäste heimzufliegen.« F'lon ignorierend, begab er sich zu den Reitern, denen er genug Verantwortungsbewusst-sein zutraute.
S'lel und ein weiterer kräftiger Weyrmann trugen Jora die Treppe hinauf in ihr Quartier, nachdem es nicht gelang, sie zu wecken. Nemorth hockte auf ihrem Sims und trauerte lautstark um ihren toten Ge-fährten. Ihr Kopf und Hals pendelten rhythmisch hin und her, die Augen hatten sich zu einem stumpfen, mit orangegelben Flecken durchschossenen Rot verfärbt und rotierten hektisch in ihren Höhlen.
Robinton merkte, dass die felsigen Flanken des
Weyrs gesprenkelt waren mit vielen rotglühenden
Drachenaugen, eine Farbe, die von der großen Not und Verzweiflung der Drachen kündete. Wie überdi-mensionale Leuchtkörbe schimmerten sie in der Dunkelheit. Diese Szene prägte sich Robinton ein, und sie blieb auch dann noch frisch in seinem Gedächtnis, als andere Erinnerungen an diese schreckliche Nacht längst verblasst waren. In Gedanken sah er immer 310
wieder die kreiselnden roten Augen und hörte das traurige, durch Mark und Bein dringende Wehklagen der vielen hundert Drachen, deren Geschrei von den Kraterwänden vielfach gebrochen wurde und die
ganze Nacht lang nicht verstummte.
Eine Trommelbotschaft verkündete, dass Lady Hayara Maidir nicht in Burg Benden angetroffen hatte. Also waren beide Männer und der Drache im Dazwischen umgekommen. Robinton bat C'gan, ihn und Raid, der wahrscheinlich der neue Burgherr von Benden war, zur Festung zu fliegen. Raids Stiefmutter brauchte jetzt seinen Beistand.
Robinton packte seine Notenblätter und Instrumente ein, als F'lon sich ihm näherte.
»Du willst aufbrechen?« fragte der Bronzereiter.
»Ich bat C'gan …«
»Wieso hast du ihn gefragt, und nicht mich?« beschwerte sich F'lon aufgebracht.
»Du hast gerade deinen Vater
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