Drachenklänge
Weinschlauch, den sie Robinton hinhielt, damit er das Etikett lesen konnte.
»Benden?« staunte er.
»Gennell bestellte einen Vorrat eigens für diesen Tag«, erklärte sie. »Ich hielt ihn gut unter Verschluss«, fügte sie mit einem Seitenblick auf Jerint hinzu. »Und nun öffne bitte den Schlauch. Es ist genug Wein da, damit ihr euch alle einen Rausch antrinkt.«
*
Am nächsten Morgen litt Robinton an einem leichten Kater, als er das Arbeitszimmer des Meisterharfners betrat. Verdutzt blieb er stehen, als er sah, dass dort jemand auf ihn wartete: Petiron. Sein Vater hatte in der vergangenen Nacht fleißig auf das Wohl des neuen Meisterharfners von Pern getrunken, doch Robinton traute dem Frieden nicht.
»Ich möchte, dass du mir eine neue Stelle als Harfner zuteilst, Robinton«, begann sein Vater in einem steifen, unpersönlichen Ton. »Ich bin mir sicher, dass du deinem Amt gerecht wirst, und ich wünsche dir alles Gute. Aber ich glaube, dass meine Anwesenheit in der Halle dich nur in Verlegenheit bringt.«
»Also wirklich, Vater …« Robinton war wütend auf 477
sich selbst, weil ihm die ungewohnte Anrede nur sto-ckend von den Lippen kam.
Petiron lächelte dünn, als fasste er dies als Bestätigung auf. »Die Ausübung deiner Pflichten fällt dir gewiss leichter, wenn du nicht dauernd den Eindruck hast, ich würde deine Entscheidungen nicht billigen.«
Robinton nickte bedächtig. »Das finde ich sehr rücksichtsvoll von dir, aber es ist wirklich nicht nötig.«
»Ich bestehe darauf.« Petiron hob kampfeslustig das Kinn.
»Es gibt nicht viele große Burgen, die …«
»Ich ziehe ohnehin eine kleine Gemeinde vor.«
»Du bist ein Meister und verdienst es …«
»Ich weiß, was ich will.«
»Und was wird aus deinem vielversprechenden
neuen Schüler? Diesem Domick? Ich dachte, du seist mit ihm äußerst zufrieden.«
Petiron schnaubte durch die Nase und winkte geringschätzig ab. »Dieser Grünschnabel bildet sich ein, er wüsste bereits alles. Ich überlasse dir das Vergnü-
gen, seinen Unterricht fortzusetzen.«
Robinton verbiss sich ein Grinsen. Er hatte von den leidenschaftlichen Streitgesprächen gehört, die sein Vater sich mit Domick lieferte. Bezüglich chromatischer Variationen vertraten beide gegensätzliche Standpunk-te, und Robinton dachte sich, in diesem vor Selbst-bewusstsein strotzenden Lehrling habe Petiron einen gleichwertigen Gegner gefunden.
»Ich hatte geglaubt …« setzte er von neuem an.
»Dann hast du dich halt geirrt. Welche Stellen stehen zur Verfügung?« Petiron streckte die Hand aus und hätte am liebsten mit den Fingern geschnippt, um seinen Sohn zur Eile anzutreiben.
Robinton trat an den Schreibtisch, auf dem sich nach Thema und Dringlichkeit geordnete Notizen stapelten.
Während der letzten Wochen vor seinem Tod hatte
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Gennell Robinton in die Verwaltungsangelegenheiten der Halle eingeführt, sodass er nun genau wusste, wo sich die Zettel mit den freien Stellen befanden. Er nahm den ganzen Stapel und drückte ihn Petiron in die Hand.
»Sieh selbst nach, welche Anstellung dir am besten passt«, schlug er vor. In gewisser Weise fühlte er sich erleichtert. Mit Sicherheit hätte er ständig befürchtet, sein Vater könnte seine Entscheidungen infrage stellen. Vor allen Dingen, weil Petiron den Fädenfall nicht als unmittelbare Bedrohung ansah, und weil er seinen Schülern einen Lehrstoff aufzwang, der sie nur be-lastete und ihnen in der praktischen Ausübung des Harfnerberufs nichts nützte. Welcher Geselle bekam schon die Gelegenheit, Musiktheorie und Komposition zu unterrichten? Vieles wäre für ihn einfacher, wenn sein Vater die Halle verließ.
»Ich habe allen unmissverständlich klar gemacht, dass ich aus freien Stücken fortgehe, und nicht etwa, weil du es willst, Robinton«, beschied ihn Petiron.
Dann gab er seinem Sohn ein Stückchen Leder. »Diese Stelle möchte ich antreten.«
Robinton las den Namen und war entgeistert. »Die Meeresburg an der Halbkreis-Bucht? Vater, das geht nicht! Dort bist du vom Rest der Welt isoliert. Ich war einmal da. Die Bucht ist nur per Schiff oder mit einem Drachen zu erreichen.«
»Aber die Bucht von Nerat liegt ganz in der Nähe, und so weit ist der Seeweg gar nicht. Seit sechs Planetenumdrehungen hatten sie dort keinen Harfner mehr.
Es gibt viel nachzuholen. Du bist doch sonst so versessen darauf, dass alle die Lehrballaden kennen. Dieser Auftrag stellt mich vor eine Herausforderung.«
»Es gibt interessante freie
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