Drachenklänge
Robinton Wein und Gläser aufbewahrte.
»Was darf ich dir anbieten?« fragte Robinton.
»Einen einfachen Wein, nichts Besonderes«, erwiderte Nip. »Ich bin nicht so gierig wie unser selbst ernannter Herr über drei Burgen. Sein letztes Buben-stück bestand darin, dass er sich über die Grenze zu Tillek mogelte und sich Radharc unter den Nagel riss.«
»Es sieht Melongel gar nicht ähnlich, sich derartige Dreistigkeiten gefallen zu lassen.«
»Ach … hast du noch nicht gehört, dass Melongel
einen Unfall hatte?«
Robinton erstarrte. »Nein.«
»Er stürzte von einem Renner.«
»Melongel ist ein ausgezeichneter Reiter.«
Nip lächelte vielsagend. »Gewiss. Aber was nützen einem die besten Reitkünste, wenn jemand dem Tier etwas zu fressen gibt, das bei ihm Koliken auslöst. Me-484
longels Renner wälzte sich vor Schmerzen auf dem Boden. Der Lord konnte nicht schnell genug aus dem Sattel springen und wurde von dem schweren Leib zerquetscht.«
»Willst du etwa andeuten, Fax hätte mit der Geschichte zu tun? Wie wäre das möglich?«
»Es gibt immer Mittel und Wege, ein Ziel zu erreichen. Jedenfalls hat Melongel nur mit viel Glück überlebt.«
»Clostan ist ein guter Heiler.«
»Sicher, aber er macht sich Sorgen. Fast jeder Knochen in Melongels Körper ist gebrochen. Vielleicht wird er nie wieder laufen können.«
Robinton hieb mit der Faust auf den Tisch. »Ich
frage mich nur, wie Fax es geschafft hat, den Unfall herbeizuführen – falls er dahinter steckt.«
Nip setzte eine zynische Miene auf. »Fax kauft sich Loyalität und jede erdenkliche Art von Dienstleistung.
Zudem erpresst er seine Leute und jagt ihnen eine heillose Furcht ein. Ich weiß zwar nicht, wie er es be-werkstelligt hat, aber ich bin fest davon überzeugt, dass er für den Unfall verantwortlich ist. Von Melongels Tod würde er gewaltig profitieren. Oterel ist ein tüchtiger Bursche, aber um eine so ernste Krise zu meistern, ist er zu jung und zu unerfahren.«
»Wie geht es Juvana?« erkundigte sich Robinton.
»Sie kümmert sich rührend um ihren Gemahl und
hilft Clostan nach Kräften. Vielleicht gelingt es ihnen ja, Melongel durchzubringen.«
Nip trank einen großen Schluck Wein, ehe er fortfuhr. »Wenn Melongel stirbt, wird Fax triumphieren.
Er nimmt sich ganz einfach die älteste Tochter des verstorbenen Burgherrn zur Frau und nistet sich in Tillek ein. Mit männlichen Erben macht er nach bewährter Weise kurzen Prozess.«
Abermals schlug Robinton mit der Faust auf die
485
Tischplatte. »Kann man denn gar nichts dagegen unternehmen?«
»Nein, wenn niemand uns beisteht«, erwiderte Nip pragmatisch. »Der Kerl hat es sich in den Kopf gesetzt, die gesamte Westküste zu besitzen. Langsam, Zoll für Zoll, arbeitet er sich vor und unterdrückt jede Opposition. Mittlerweile hat er mehr Ehefrauen, als ein vernünftiger Mann sich wünschen kann. Sieht die Charta in dieser Hinsicht denn keine Beschränkung vor?«
»Nein«, antwortete Robinton. »Mit privaten Beziehungen befasst sich die Charta nicht. Es sei denn, es wird Gewalt angewendet – wie Notzucht oder andere körperliche Übergriffe.«
»Die Charta wurde von Idealisten geschrieben.«
»Höchstwahrscheinlich. Aber die in ihr enthaltenen Gesetze dienen durchaus dem Schutz der Menschen.«
»Wenn man sie befolgt.« Nip schnitt eine Grimasse.
Ȇber dieses Thema habe ich mit den Burgherren
geredet. Ohne Ergebnis«, beschied ihn Robinton.
Nip beugte sich über den Tisch. »Dann musst du
deutlichere Worte finden, um die sturen Lords zu überzeugen. Ehe es zu spät ist.«
Robinton nickte. Er und Nip wussten, warum die
Burgherren zögerten, sich gegen Fax zu wenden. In ihren Festungen wähnten sie sich sicher. Was musste noch geschehen, damit sie ihre Zurückhaltung aufgaben? Fax hatte schon so viele Gesetze gebrochen. F'lon würde den Kampf gegen diesen Schuft aufnehmen, falls er zu einem Zweikampf gefordert würde. Doch käme er bei einem Duell ums Leben, bedeutete dies für Pern eine Katastrophe. Man brauchte einen entschlossenen Weyrführer, der an die Rückkehr der Fä-
den glaubte.
»Ich halte auch weiterhin meine Augen und Ohren
offen«, versprach Nip und leerte sein Glas. »Kann ich 486
in deinem Quartier übernachten? Oder erwartest du noch Besuch?«
Robinton übersah das schelmische Grinsen und den wissenden Blick des Kuriers. Er wunderte sich nicht, dass Nip über sein Verhältnis mit Silvina Bescheid wusste.
Er beschloss, einen Brief an Juvana zu
Weitere Kostenlose Bücher